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Meinung: Sie sind sich nicht grün

Von Christoph von Marschall

Ist das wieder ein Beispiel für die Sottise, die Steigerung von Feind sei allemal der Parteifreund? Ludger Volmer will plötzlich „kein Wort“ des umstrittenen Erlasses zur leichteren Visaerteilung geschrieben haben. Früher hat der ehemalige Staatsminister es gerne gehört, dass die Weisung vom März 2000 „Im Zweifel für die Reisefreiheit“ als „VolmerErlass“ mit ihm verbunden wird. Jetzt, da ein Untersuchungsausschuss massenhaften Missbrauch untersucht – und auch noch Nebenjobvorwürfe in Sachen Bundesdruckerei hinzukommen – deutet der Grüne auf Joschka Fischer: Der trage die Verantwortung; er, Volmer, habe nicht einmal unterschrieben.

So nimmt die parlamentarische Untersuchung, die anfangs als eher aussichtsloser Versuch galt, dem Anführer der Sympathieumfragen, Joschka Fischer, einen Skandal anzuhängen, eine bizarre Wende. Von der Opposition schien wenig Gefahr zu drohen. Deren Obleute haben wenig Erfahrung mit Untersuchungsausschüssen und können allenfalls versuchen, das durch Verbalradikalismus wettzumachen. Und in der Ukraine, die im Mittelpunkt der Vorwürfe steht, hat sich ein friedlicher Machtwechsel ereignet. Die Regierung kann behaupten, dem eventuellen innenpolitischen Schaden durch die illegale Einreise windiger Geschäftsleute und Prostituierten stehe ein außenpolitischer Erfolg gegenüber; zu dem hätten die Reisen von Ukrainern, die sich hier von den Vorzügen der Demokratie überzeugen konnten, vielleicht beigetragen. Nun wird es ernst für Rot-Grün, wenn Volmer sich durch Schuldzuweisungen an den Vizekanzler zu entlasten sucht.

Die Wende in der Bewertung angeblicher Reiseerleichterungen offenbart aber auch ein chronisches Ärgernis deutscher Politik: die ideologische Überhöhung kleiner Praxistests. Was wäre gegen das Experiment einzuwenden, ob sich weniger Misstrauen und Kontrolle bei der Visavergabe bewährt – sofern damit die Bereitschaft einhergeht, es bei Misserfolg zu beenden. Aber nein, diesen Versuch mussten Volmer/Fischer ja gleich zu einer neuen, besseren Politik überhöhen. An dieser Unsitte freilich wird das parlamentarische Nachspiel wohl wenig ändern.

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