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Vatikan: Worauf wir hoffen dürfen

Papst Benedikt XVI. veröffentlicht seine zweite Enzyklika – es ist ein einzigartiges Werk. Er redet ungeschminkt über Zweifel, die jeden wachen modernen Menschen beschleichen.

Seine erste Enzyklika galt der Nächstenliebe, die neue widmet sich der Hoffnung. Die Orientierung an dem Dreiklang der christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung, wie Paulus ihn formulierte, ist Programm: Benedikt XVI. sieht seine Hauptaufgabe in der Rolle des Glaubenslehrers, der auf das Wesentliche aus ist. Ihm geht es um Elementarisierung, Vertiefung und Selbstvergewisserung des Glaubens. Und so widmet er sich diesmal sozusagen der Gretchenfrage des Christentums, der Hoffung auf das ewige Leben.

Wie schon in seinem Jesusbuch ist auch in diesem Text der Ausgangspunkt „die Glaubenskrise der Gegenwart“. Wieder zeigt sich der Papst als meisterhaft-präziser Präsentator des modernen Bewusstseins. „Wollen wir das eigentlich – ewig leben?“, fragt er. „Ewig – endlos – weiterzuleben scheint eher Verdammnis als Geschenk zu sein.“ Und „immerfort und ohne Ende leben – das kann doch zuletzt nur langweilig und schließlich unerträglich sein“. Sätze von ätzender Klarheit. Benedikt nennt es die Widersprüchlichkeit unserer Existenz: Einerseits wollen wir möglichst lange leben, andererseits ist das Leben „immer wieder mehr Mühsal als Erfüllung“. Wir lieben das Leben, schreibt er, und wollen es zugleich doch nicht.

Solche Reflexionen hat es von einem Papst bislang nicht gegeben. Benedikt XVI. redet ungeschminkt über Zweifel, die jeden wachen modernen Menschen beschleichen. Er überdeckt sie nicht mit frommer Tünche, weil er die Glaubensnot vermutlich selbst gut kennt. Warum sollte er sonst von dem vietnamesischen Kardinal Nguyen Van Thuan berichten, der von langen Phasen erzählt, in denen er zu einem Gebet unfähig war?

Aber Benedikt XVI. wäre nicht Papst, wenn er hier innehielte. Er will die ins Rutschen gekommene Basis des christlichen Glaubens neu befestigen. Und er sucht neue Wege für einen verantworteten Glauben. Seine Quellen sind die Bibel und die Kirchenväter. Von hier aus entfaltet er das existenzielle Lebenswissen des Christentums. Die Gedanken, die Menschen vor weit über tausend Jahren beschlichen haben, sind auch heute aktuell.

Benedikt zieht Linien, führt Fäden zusammen und zeigt: Glaube ist mehr als eine individuelle Hoffnung auf Rettung und ewiges Leben, er ist auch ein Verwobensein mit den Hoffnungen und Zweifeln der vor uns und mit uns Lebenden. „Wie schnell fallen wir vom Nichts ins Nichts zurück“, heißt es auf einer römischen Grabinschrift zu Zeiten des Paulus. „Läuft mein Leben am Ende doch ins Leere?“, fragen sich heute viele Menschen.

Die Enzyklika ist ein katechetischer und theologischer Text, jedoch praktisch ohne jeden gesellschaftlichen oder politischen Seitenblick auf die Gegenwart. In ihrer geistigen Orientierung ist sie sehr stark europäisch zentriert, genauer gesagt rezipiert sie aus der Moderne ausschließlich französische und deutsche Denker.

Lateinamerikanische oder afrikanische Theologie kommt nirgends vor, obwohl auf diesen Kontinenten inzwischen zwei Drittel aller Christen leben. So punktgenau Benedikt die Glaubenszweifel seiner postmodernen europäischen Zeitgenossen zu erfassen weiß und so behutsam, klug und umsichtig er diesen zu begegnen versucht, auf die viel elementarere Frage „Worauf dürfen wir hoffen?“ der Menschen auf der südlichen Halbkugel bleibt er die Antwort schuldig. Hier ist die Enzyklika merkwürdig blass und unentschlossen. Was die jungen Kirchen beizutragen haben für die Hoffnung auf Zukunft, bleibt ausgeklammert. Aber der Enzyklika-Trilogie des Papstes fehlt ja noch der dritte Teil – der Text über den Glauben.

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