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Großbritannien: Abstimmung über Europa

England steuert auf ein Referendum zu. Gestritten wird nur noch über das Wann und Wie. Was wollen die Briten?

Eigentlich hattte der englische Premierminister David Cameron nach dem EU-Gipfel in Brüssel ein sofortiges „Rein oder Raus“ Referendum Großbritanniens abgelehnt. Doch nun schrieb er in einem Beitrag für den „Sunday Telegraph“: „Ich bin nicht gegen ein Referendum zu Europa.“ Doch müsse vorher Klarheit über die neue Form der EU und Englands Position in ihr herrschen. Cameron präzisiert seine Position, weil der Druck auf ihn wächst.

Fast 100 Tory Parlamentarier forderten in einem Brief ein Gesetz, dass ein EU-Referendum in der nächsten Legislaturperiode verpflichtend macht. Sie wollen damit die europaskeptische UK Independence Party (UKIP) in Schach zu halten. Aber Cameron muss auch Rücksicht auf die Liberaldemokraten, seine Koalitionspartner nehmen. Für sie wäre ein solches Referendumsgesetz unakzeptabel, zumal bei allen weiteren „Machttransfers“ nach Brüssel ein Referendum bereits gesetzlich vorgeschrieben ist.

Die Eurokrise bringt die Briten in ein Dilemma. Pläne für Banken-, Fiskal- und politische Union werden als ein Griff Brüssels nach zentraler Macht verstanden, der für Briten aller politischer Überzeugungen unakzeptabel ist. Doch Cameron fordert genau diese Integration für Europa – wohl wissend, dass sie eine Neubestimmung des britischen Verhältnisses zu Europa mit sich bringen. Die Mehrheit der Briten, schreibt er, „ist mit der jetzigen Beziehung zur EU unglücklich und ich bin es auch“.

Auf der selben Zeitungsseite forderte Liam Fox, seit seinem Rücktritt als Verteidigungsminister inoffizieller Sprecher des rechten Flügels, sofortige Neuverhandlungen mit der EU. Während Cameron davon ausgeht, dass Englands Einbindung in den gemeinsamen Markt „im Herzen der Argumente“ für die EU steht, argumentiert Fox: „Ein Leben außerhalb der EU birgt keine Schrecken für mich“. Die EU verliere in der globalen Wirtschaft ohnehin Bedeutung. Es gibt also ein großes Spektrum der Positionen: Die UKIP und extreme Euroskeptiker wollen schnellstmöglich ein „Rein oder Raus“-Referendum. Aber Cameron warnt: ginge ein solches Referendum zugunsten eines Verbleibs in der EU aus, hätte Großbritannien seine beste Verhandlungskarte, die Austrittsdrohung, aus der Hand gegeben. Eine große Mehrheit der Tories will die Drohung für sofortige Neuverhandlungen von Fischereirechten bis zum Sozialrecht nutzen. Die Labour-Partei ist in der Frage der EU-Taktik gespalten. Auch der ehemalige EU-Kommissar Peter Mandelson forderte ein Referendum – aber erst, wenn die Krise vorbei und die Form des neuen Europa klar sei.

Ursache der Debatten ist die Überzeugung, dass der Referendumsentscheid von 1975 zum Beitritt in die damalige EWG keine demokratische Legitimation für Großbritanniens EU-Mitgliedschaft mehr gibt. Damals ging es nur um eine Handels- und Wirtschaftszone.

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