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Politik: Ärzte drohen mit Streik - und kündigen Einschränkungen bei Gesundheitsleistungen an

Die Ärzteschaft will ihre Proteste gegen die seit Jahresanfang geltende Gesundheitsreform 2000 massiv verschärfen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) drohte der rot-grünen Regierung am Mittwoch in Berlin harten Widerstand an und schloss auch "Kampfmaßnahmen" wie lokal begrenzte Ärztestreiks nicht aus.

Die Ärzteschaft will ihre Proteste gegen die seit Jahresanfang geltende Gesundheitsreform 2000 massiv verschärfen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) drohte der rot-grünen Regierung am Mittwoch in Berlin harten Widerstand an und schloss auch "Kampfmaßnahmen" wie lokal begrenzte Ärztestreiks nicht aus. Ziel der Ärzte ist es, die gesetzliche Ausgabenbegrenzung zu kippen oder zumindest zu lockern.

Die Ärzteschaft werde im Jahr 2000 "Ernst machen" und Leistungen "drastisch einschränken" oder gar verweigern, sagte das KBV-Vorstandsmitglied, der Berliner Urologe Manfred Richter-Reichhelm. Die Rationalisierungsreserven im Gesundheitswesen seien ausgeschöpft. Da das Geld wegen der staatlichen Budgetierung begrenzt bleibe, drohe nun "akuter Mangel". Kassenpatienten müssten sich auf Engpässe und Einschnitte vor allem bei Arzneien einstellen. Richter-Reichhelm kandidiert am Sonnabend als Nachfolger für den zurückgetretenen KBV-Vorsitzenden Winfried Schorre.

Wegen des gesetzlichen Budgets und der preissteigernden Ökosteuer stehe den Ärzten im Jahr 2000 real weniger Geld zur Verfügung als 1999, sagte Richter-Reichhelm. Gleichzeitig führe die Regierung aber jede Menge neuer Gesundheitsleistungen ein, wie ambulante Rehabilitation, Vorsorgeuntersuchungen, Gesundheitsförderung, Patientenberatung durch Verbraucherstellen und Soziotherapie. "Das alles passt nicht zusammen", kritisierte Richter-Reichhelm. Für eine angemessene Versorgung der Kranken reiche das Geld nicht mehr aus.

Insbesondere bei Arzneien "sind wir am Ende der Sparmöglichkeiten angelangt", warnte KBV-Vorstandsmitglied Jürgen Bausch. Schon 1999 hätten die Budgets nicht ausgereicht. Bausch warf der Regierung vor, die Ärzte mit den Finanzproblemen alleine zu lassen und ihnen den Schwarzen Peter zuzuschieben. So habe die rot-grüne Koalition Sparansätze wie etwa die neuen Arzneimittelrichtlinien nicht gegen die einstweiligen Verfügungen der Pharmaindustrie durchgesetzt und "rechtssicher gemacht". Auch mache die Politik nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch, durch eine Ausweitung der Negativlisten Unsinniges vom deutschen Markt zu entfernen. "Im Grunde genommen bräuchte man nur umzusetzen und in Negativlisten zu fassen, was im Arzneiverordnungs-Report als überflüssig, umstritten und unnötig deklariert wird", sagte Bausch. Nach Angaben des Arzneiverordnungs-Reports 1999 haben die Ärzte im Vorjahr zweifelhafte Medikamente im Wert von insgesamt 2,8 Milliarden Mark verschrieben. Durch Umstieg von Original- auf Nachahmerpräparate ließen sich weitere 2,5 Milliarden Mark sparen. Nach Ansicht von Bausch ist es sachlich nicht zu rechtfertigen, den Ärzten die Verordnung unwirksamer und umstrittener Präparate vorzuwerfen, sie mit Budgethaftung zu belasten, "aber nicht zugleich dafür Sorge zu tragen, dass diese Präparate auf dem deutschen Markt gar nicht existieren".

Dennoch bot Richter-Reichhelm der Regierung und den Parteien ausdrücklich Gespräche an. Die Ärzte würden den Dialog mit der Politik suchen. "Wir sind keine Rowdys." Der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler warf Richter-Reichhelm vor, bei kranken Menschen Ängste zu schüren. Die Ärzte seien gesetzlich verpflichtet, Kranken notwendige Leistungen zukommen zu lassen.

M.G.

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