zum Hauptinhalt
Fortsetzung. Der Premier ist abgetreten, die Bulgaren demonstrieren weiter.

© dpa

Bulgarien: Bürgerbewegung kündigt neue Proteste an

Der Premier ist zurückgetreten, im Mai wird gewählt, doch die Proteste in Bulgarien reißen nicht ab. Für Sonntag sind neue Demonstrationen angekündigt.

Sofia - Der März ist traditionell ein besonderer Monat in Bulgarien. Am 1. März legen sich die Bulgaren zu Ehren von Baba Marta (Oma März) rot-weiße Armbändchen an, zum Zeichen, dass sie auf einen baldigen Frühling hoffen, und am 3. März gedenken sie der Befreiung von der osmanischen Herrschaft im Jahr 1878. In diesem Jahr liegt zusätzlich Spannung in der Luft; durch tägliche Protestdemonstrationen, zunächst gegen hohe Strompreise, dann gegen die Regierung, haben die Bulgaren vor einer Woche Ministerpräsident Boiko Borissow zum Rücktritt bewegt. Jetzt muss Staatspräsident Rossen Plevneliew eine Übergangsregierung bilden, die Neuwahlen für den 12. Mai vorbereitet.

Die große Frage lautet: Wird es dem Staatsoberhaupt gelingen, Vertreter der nationalen Protestbewegung wie versprochen in den politischen Prozess der kommenden Wochen zu integrieren? Am Freitag hatte Plevneliew Vertreter der Protestbewegung zu einem Treffen geladen, bei dem die Bildung eines Bürgerrats vorbereitet werden sollte. Doch nach wenigen Minuten verließen die Gäste das Staatspräsidium wieder. „Wir setzen uns nicht an einen Tisch mit denen, gegen die wir kämpfen“, erklärten sie und zeigten auf Funktionäre von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften.

Seit dem Ende des Kommunismus vor dreiundzwanzig Jahren gehört es in Bulgarien zur politischen Praxis, dass Volksvertreter vor allem ihre eigenen Interessen vertreten. Damit wollen die Protestierenden Schluss machen, und dafür wollen sie auf Großkundgebungen am Nationalfeiertag an diesem Sonntag wieder demonstrieren. Gleichzeitig müssen sie aber zeigen, ob sie institutionelle Formen für einen politischen Neuanfang etablieren und ihre Forderung nach verstärkter Bürgerbeteiligung durchsetzen können.

Hätten die Stromrevolten das Kabinett Borissow nicht zu einer unerwarteten Kapitulation veranlasst, wäre ein erbitterter, schmutziger Wahlkampf bis Anfang Juli zu erwarten gewesen. Nun scheint der Wahlausgang offen und Bulgariens politische Zukunft ebenso. Frank Stier

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false