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Politik: Das Strafmaß für die CDU kann nicht nur juristisch festgelegt werden (Kommentar)

Welche Strafe hat die CDU verdient? Die Antwort auf diese Frage hat einen rechtlichen und einen politischen Teil.

Welche Strafe hat die CDU verdient? Die Antwort auf diese Frage hat einen rechtlichen und einen politischen Teil. Allerdings: Auch der juristische Aspekt kann nicht im aseptischen Raum einer Fachdebatte behandelt werden; die Folgen müssen politisch bedacht sein. Klar ist: Rechtswidrig erlangte oder nicht als solche veröffentlichte Spenden müssen zurückgezahlt werden. Dazu kommt eine Buße in Höhe des doppelten Betrages. Die CDU hat in den zurückliegenden sechs Jahren über zwei Millionen Mark unrechtmäßige Spenden kassiert. Deshalb wappnet sie sich für eine Rückzahlung von höchstens sieben Millionen. Ende des unstrittigen Teils.

Die Probleme beginnen mit der Frage: Reicht das? Wie ist die Million des Waffenhändlers Schreiber zu werten? Sind die hessischen Millionen ein Landesproblem? Der Wiesbadener Ministerpräsident Roland Koch jedenfalls will diesen Fall vom Untersuchungsausschuss des Bundestags geklärt wissen. Das kann als Eingeständnis gewertet werden: Es handelt sich auch um ein Problem der Bundespartei. Dafür spricht obendrein: Der Konstrukteur des geheimen Kontenimperiums ist jedesmal derselbe: CDUWirtschaftsberater Horst Weyrauch.

Was ist mit den zehn Millionen ungeklärte Spenden vor der Sechs-Jahres-Frist? "Verunreinigen" sie nicht zwangsläufig auch die Rechenschaftsberichte der nächsten Jahre? An dieser Stelle hat Parlamentspräsident Wolfgang Thierse, dem die "Strafzumessung" obliegt, juristisches Neuland zu betreten. Geklärt werden muss unter seiner Verantwortung die Frage: Wann ist nicht nur eine Spende, sondern ein gesamter Rechenschaftsbericht rechtswidrig und damit ungültig. Dann hätte die Partei ihren Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung mindestens zum Teil verwirkt. Hier fehlt der juristische Krückstock des Präzedenzfalles.

Es gibt Juristen und Politiker mit juristischem Sachverstand, die sagen: Nach den Buchstaben des Gesetzes hat die CDU eine Strafe verdient, die sie in den Bankrott treibt. Retten könne sie nur die Gnade des Präsidenten im Gewande des juristischen Begriffs der "Verhältnismäßigkeit" von Buße und Straftatbestand. Begründung: Da ist nicht einfach nur mal eben die eine oder andere Spende falsch verbucht worden. Da ist über Jahre hinweg ein System zur Vorbeileitung von Spenden an staatlicher Aufsicht und innerparteilicher Kontrolle geschaffen worden. Hier war also böser Wille am Werk, juristisch: Vorsatz.

Am Beginn der nun fälligen politischen, moralischen und juristischen "Tarifverhandlungen" macht die CDU mildernde Umstände geltend: Sie habe sich ja selbst angezeigt, heißt es. Dieses Argument ist, vorsichtig gesagt, unverfroren. Der "Freiwilligkeit" ging eine wahre Flut von unfreiwilligen Enthüllungen voraus. Erst sie haben das "Geständnis" der Angeklagten herbeigeführt. Was zählt es angesichts erdrückender Beweise? Ähnlich verhält es sich mit der Drohung, keine unangemessenen Forderungen zu akzeptieren. Würde ein Richter es als Reumütigkeit des Angeklagten zu werten wissen, befleißigte er sich einer solch selbstgerechten Sprache. Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit? Ja. Auf Verhältnismäßigkeit? Selbstverständlich. Auf Rechtsmittel? Natürlich, auch das.

Aber spätestens hier kommt wieder der Umstand zum Tragen, dass es sich eben um keine rein rechtliche, sondern um eine politische Affäre handelt. Der Bundestagspräsident ist kein Berufsrichter, aber die Angeklagte hat es mit Millionen von Laienrichtern draußen im Lande zu tun: Auf sie muss die CDU glaubwürdig, reumütig und erneuerungswillig wirken. Prozessdrohungen wirken da kontraproduktiv. Was für eine Strafe also hat die Partei verdient? Eine ziemlich hohe. Was für eine hat sie zu erwarten? Eine, die den Ermessensspielraum eher nach unten als nach oben ausschöpft. Aber warum sollte der Bundestagspräsident der CDU nicht auferlegen, was auch Richter mit ihren Delinquenten tun: Ratenzahlung. Kürzung der staatlichen Mittel über einen langen Zeitraum.

Dann wäre der politische Wettbewerb nicht nur kurzfristig, sondern auf mittlere Sicht eingeschränkt? Mag sein. Aber die Partei hat dies zu ihren Gunsten auch in der Vergangenheit über eine Reihe von Jahren bereits getan. Im Übrigen gilt, wiederum wie vor Gericht: Die Angeklagte ist durch das Leben mindestens so gestraft, wie es durch rechtliche Sanktionen geschehen könnte. Tätige Reue hat sie nicht nur im Verfahren, sondern in ihrer politischen Praxis zu beweisen. Mit anderen Worten: Politiker, die durch das "System Kohl" kontaminiert sind, sollten keine Zukunft in ihrer Partei haben. Schade für Wolfgang Schäuble, Volker Rühe, Jürgen Rüttgers und all die anderen ehemaligen Hoffnungsträger.

Wer darüber entscheidet? Nicht der Bundestagspräsident, sondern die Wähler in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Sagen sie am Ende nicht "gerichtet!", sondern "gerettet!" - auch das wäre demokratisch.

Thomas Kröter

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