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TV-Duell

© dpa

Wahlkampf in Niedersachsen: "Die Krawatte immerhin gefällt mir"

Endspurt im niedersächsischen Landtagswahlkampf: SPD-Kandidat Wolfgang Jüttner attackiert CDU-Ministerpräsident Christian Wulff im TV-Duell. Der wehrt sich - und bringt Jüttner mit einem Kompliment aus dem Konzept.

Mit einem Lob von Christian Wulff hatte SPD-Mann Wolfgang Jüttner wirklich nicht gerechnet. "Die Krawatte immerhin gefällt mir", sagt der CDU-Ministerpräsident, als sich die beiden Kontrahenten gestern Abend kurz vor Beginn des TV-Duells im NDR-Studio gegenüberstehen. Wulff lächelt sein smartes Wulff-Lächeln - und Jüttner schaut verdutzt. Doch mit dieser Rollenverteilung gibt sich der SPD-Kandidat nicht zufrieden. Er weiß, dass seine Umfragewerte nicht die besten sind, also greift er Wulff und dessen Regierung an. Sachlich, auch mal etwas spitz, aber nicht übertrieben.

Jüttner wirft Wulff Versagen auf allen Politikfeldern vor: In der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes habe die CDU/FDP-Regierung vieles "gegen die Wand gefahren", sagte Jüttner und verwies etwa auf den angeschlagenen Autohersteller Karmann sowie den Tiefwasserhafen JadeWeserPort. Jüttner warf Wulff vor, dem "Missmanagement" in der Führungsetage der Jade-Weser-Port-Realisierungsgesellschaft "zu lange zugesehen" zu haben. "Da wäre mal Ihr Handeln gefragt gewesen", sagt der SPD-Mann. Wulff konterte, die SPD müsse schon mal wissen, was sie wolle: "Mal werden wir von Ihrer Partei kritisiert, weil wir uns einmischen, dann sollen wir uns plötzlich wieder einschalten."

"So feuchte Hände wie noch nie"

Vor dem TV-Duell war vor allem Jüttner die Anspannung anzumerken. Er kenne "den Wolfgang" ja schon lange, sagt ein Fernsehmann, "aber so feuchte Hände wie heute Abend hatte der noch nie". Wulff dagegen kommt fast eine Stunde später als zunächst geplant und angekündigt, erst gegen 20:15 Uhr fährt der Ministerpräsident vor. Auf der Fahrt ins Studio ordert sein Mitarbeiterstab schon mal vorab telefonisch einen Tee für den Landesvater. Der sei stark erkältet, heißt es. Als er kurze Zeit später das Studio betritt, gibt sich Wulff allerdings alle Mühe den Eindruck zu zerstreuen, er sei irgendwie angeschlagen.

Noch vor Beginn des TV-Duells erreicht die wartenden Journalisten die nächste Überraschung: Das ursprünglich 45-minütige TV-Duell soll nun plötzlich eine ganze Stunde dauern. Eine NDR-Sprecherin erklärt die "redaktionelle Entscheidung". Diese sei äußerst kurzfristig wegen der "positiven Resonanz im Vorfeld" gefällt worden.

NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz versucht gleich zu Beginn der Sendung um kurz nach 21 Uhr, dem TV-Duell Schärfe zu geben. Roland Koch (CDU) und Andrea Ypsilanti (SPD) hätten den Wählern in Hessen "richtig was geboten", sagte der Moderator mit Hinblick auf die Debatte um schärfere Jugendstrafen. Dann fragt er Jüttner auch noch, weshalb er denn die Trennung von Wulff und dessen Ehefrau in einem Interview thematisiert habe. Jüttner geht auf beides nur kurz ein, sagt, er setze auf einen "sachlichen Wahlkampf" und, dass er auf keiner Wahlveranstaltung das Privatleben seines "Mitbewerbers", wie er Wulff nennt, kritisiert habe. Und alle Schärfe ist dahin.

"Eine Tragödie"

Während Wulff in der einstündigen Debatte gelassen und präsidial referiert, treibt Jüttner den Amtsinhaber weiter, wenn auch moderat vor sich her. Zur Hochschulpolitik der Regierung Wulff sagt er: "Das ist keine Erfolgsbilanz, das ist eine Tragödie." So angriffslustig hat man den oftmals als spröde bezeichneten Jüttner selten gesehen. Aber auch Wulff punktet mehrmals. "Wenn sie immer der Linkspartei nachlaufen, machen sie die nur wichtig", sagt er.

Nach dem Duell reklamieren sofort beide Seiten den Sieg für sich. Die CDU lässt unter den Journalisten sogleich eine Presseerklärung verteilen, Wulff sagt in die Mikrofone und Kameras: "Wir sind der klare Sieger, weil wir klar gemacht haben, dass wir gut unterwegs sind." Und Jüttner? Der strahlte nach dem TV-Duell. "Ich freue mich auf die langen Gesichter der Meinungsforscher am Sonntag", sagte er beim Duell. Ein Stückchen näher scheint er dieser Freude gekommen.

Daniel Staffen-Quandt[ddp]

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