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Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht.

© Imago/Uwe Steinert

Exklusiv

Nach Zusammenbruch der Fraktion: „Die Ampel darf sich nicht am Linken-Nachlass bereichern“

Die Abgeordneten um Dietmar Bartsch sowie die um Sahra Wagenknecht wollen künftig Gruppen im Bundestag bilden. Die Union warnt die Ampel-Parteien, das für sich zu nutzen.

Sahra Wagenknecht und ihre neun Anhänger, die mit ihr im Bundestag sitzen, wollen nach dem Zusammenbruch der Linken-Bundestagsfraktion eine parlamentarische Gruppe bilden. Die 28 Parlamentarier um Ex-Fraktionschef Dietmar Bartsch haben das ebenfalls vor und dies bereits offiziell beantragt. Der Bundestag muss über diese Anträge entscheiden.

Während die Fraktionen das Ansinnen der beiden verfeindeten Lager prüfen, warnt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Ampel-Parteien, das Ende der Linken-Fraktion für sich im parlamentarischen Alltag zu nutzen.

„Wichtig ist, dass die Koalition die Situation nicht zu ihrem Vorteil nutzt“, sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, dem Tagesspiegel: „Die Ampel darf sich nicht am parlamentarischen Nachlass der Linken bereichern.“

Die Union ist dabei offen dafür, den derzeit fraktionslosen Abgeordneten um Bartsch sowie denen um Wagenknecht zusätzliche parlamentarische Rechte zuzubilligen. „Für die Bildung von Gruppen gibt es historische Beispiele und verfassungsrechtliche Leitplanken, die das Bundesverfassungsgericht gezogen hat“, sagte Frei. Vor diesem Hintergrund gehe die CDU/CSU-Fraktion „davon aus, dass es zur Anerkennung zweier Gruppen kommen wird“.

Union für „angemessene Redezeiten“ für Ex-Linke

Doch welche Rechte, etwa im Plenum, sollen die möglichen beiden Gruppen bekommen? Die parlamentarischen Rechte „haben sich an den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen“, sagte Frei: „Dazu gehören unter anderem angemessene Redezeiten im Plenum sowie Mitwirkungsmöglichkeiten in den Ausschüssen.“

Frei forderte die Ampel-Fraktionen auf, „konkrete Vorschläge zu unterbreiten“. Die Unionsfraktion stehe „für konstruktive Gespräche bereit“.

Ampel-Fraktionen halten sich bedeckt

Die Ampel-Fraktionen zeigen sich offen, den früheren Abgeordneten der Linksfraktion den Status als Gruppen zuzugestehen. Bei der Frage nach den konkreten Rechten und der Ausstattung der Gruppen mit Mitarbeitern und finanziellen Zuschüssen aber halten sich SPD, Grüne und FDP bisher bedeckt.

4
Prozent der Stimmen würde die Linke Umfragen zufolge derzeit bei einer Bundestagswahl bekommen.

„Wir werden zeitnah interfraktionelle Gespräche über einen Antrag des Ältestenrates zur Anerkennung der Gruppen aufnehmen, damit Anfang nächsten Jahres der Bundestag einen Beschluss hierzu fassen kann“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, dem Tagesspiegel. Hierzu seien „viele Detailfragen interfraktionell zu besprechen und zu klären“.

Grüne sehen kein historisches Beispiel

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, sagte dem Tagesspiegel: „Die Rahmenbedingungen für eine mögliche Bildung von Gruppen werden im Ältestenrat beraten und wir werden diesen Gesprächen jetzt nicht vorgreifen.“ Das Thema sei „komplex“, weil es für einen solchen Vorgang in der jüngeren Geschichte des Parlaments kein erprobtes Vorgehen gebe.

Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, verwies auf „aktuell interfraktionelle Gespräche und juristische Prüfungen“. Wenn diese abgeschlossen seien, werde sich die FDP-Fraktion „eine finale Position bilden. Über Rechte und Status einer möglichen Gruppe entscheidet letztendlich der Bundestag.“

Die Gruppe ist im Parlament etwas zwischen einer Fraktion (die mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages erfordert) und fraktionslosen Abgeordneten. „Mitglieder des Bundestages, die sich zusammenschließen wollen, ohne Fraktionsmindeststärke zu erreichen, können als Gruppe anerkannt werden“, heißt es in der Geschäftsordnung des Bundestages.

Die Kann-Formulierung macht deutlich, dass das Parlament einem entsprechenden Antrag stattgeben muss. Die Rechte einer Gruppe sind in der Geschäftsordnung nicht fixiert.

Mit Blick auf den Umgang mit parlamentarischen Gruppen können Präzedenzfälle helfen. Nach der Bundestagswahl 1994 saß die damalige PDS mit 4,4 Prozent der Zweitstimmen im Parlament. Sie hatte vier Direktmandate erzielt, die dann 26 weitere Sitze mit sich brachten. Die 30 PDS-Abgeordneten bildeten eine Gruppe. In der vorherigen Legislaturperiode (1990 bis 1994) gab es gar zwei Gruppen.

Die PDS und das Bündnis 90 hatten bei der Bundestagswahl im Dezember 1990 im damaligen Wahlgebiet Ost die Fünf-Prozent-Hürde überwunden. Wenige Wochen nach der Vereinigung Deutschlands war die Sperrklausel auf Ost und West angewandt worden. Die PDS stellte 17 Abgeordnete, das Bündnis 90 acht Abgeordnete.

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