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ARCHIV - 17.03.2023, Rheinland-Pfalz, Neustadt (Wied): Ein ICE der Deutschen Bahn (l) fährt auf der Strecke Köln Frankfurt in Richtung Frankfurt/Main neben der Autobahn A3 (r) über die Wiedttalbrücke. Die wichtige ICE-Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt/Main soll einem Medienbericht zufolge im Sommer für einige Wochen gesperrt werden. (zu dpa: «Bericht: ICE-Strecke zwischen Köln und Frankfurt im Sommer gesperrt») Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Oliver Berg

Einigt euch im Haushaltsstreit!: Nicht nur die Bahn braucht schnell mehr Geld

Deutschlands Infrastruktur verfällt. Das zeigt ein neuer Bericht zum Schienennetz. Deshalb muss die Schuldenbremse jetzt reformiert werden.

Ein Kommentar von Caspar Schwietering

Es tut sich was bei der Bahn. Zwar geht das Gleisnetz weiter schrittweise kaputt, aber immerhin verkleistert der Staatskonzern die Misere nicht mehr hinter wohlklingenden Formulierungen.

Philipp Nagl, der Chef der zuständigen Bahntochter InfraGO, ist überzeugt, dass die Öffentlichkeit wissen muss, wie schlimm es um das zweitwichtigste Verkehrsnetz im Land steht, damit sich etwas ändert. Das ist der richtige Ansatz.

Deutschland rühmt sich gerne für seine im europäischen Vergleich geringe Schuldenquote von 63,9 Prozent. Der jungen Generation haben die Regierungen von Gerhard Schröder und Angela Merkel dennoch eine gewaltige Hypothek hinterlassen, wie der neue Netzzustandsbericht der Bahn exemplarisch zeigt.

92 Milliarden Euro beträgt der Sanierungsstau beim Bahnnetz inzwischen. Auch Autobahnen, Schulen und die Bundeswehr sind in einem desolaten Zustand. Und in den Großstädten fehlen Sozialwohnungen.

Keine Alternative zur Radikalkur

Die nächsten Jahre werden deshalb schmerzhaft – in fast allen Bereichen. Bei der Bahn will Nagl bis 2030 während fünfmonatiger Vollsperrungen 40 Hauptstrecken von Grund auf sanieren. An dem Vorhaben gibt es viel Kritik. Tatsächlich sind die Risiken beträchtlich. Dauern die Streckensperrungen länger als geplant, droht Chaos. Auch eine Kostenexplosion ist bei der Bahn niemals ausgeschlossen – siehe Stuttgart 21.

Der Bundesrechnungshof kritisiert deshalb, dass Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) dem Staatskonzern zusätzliche Milliarden bereitstellt, obwohl er mit seiner schrittweisen Bahnreform die Kontrolle der InfraGo bisher nicht wirklich verbessert hat.

Doch zu einer schnellen Radikalkur gibt es keine Alternative. Nur so besteht Hoffnung, den langsamen Verfall der Gleise zu stoppen. Mit jedem Jahr, in dem das Gleisnetz weiter überaltert, wird die Sanierung teurer. Deshalb muss jetzt gehandelt werden.

Das größte Risiko bei der Bahnsanierung ist nicht zu viel, sondern zu wenig Geld. Seit dem Karlsruher Schuldenbremsen-Urteil fehlen der Bahn 17 Milliarden Euro. Wegen fehlender Planungssicherheit dürfte die Bauindustrie ihre Kapazitäten für den Bahnbau deshalb vorerst kaum ausbauen.

Es braucht einen neuen überparteilichen Konsens in der Finanzpolitik.

Caspar Schwietering

Die Haushaltsnot sorgt bei der gesamten Wirtschaft für Verunsicherung. Ampel und Union müssen rasch klären, wie die nötigen Zukunftsinvestitionen trotz des Karlsruher Urteils getätigt werden können. Es braucht einen neuen, überparteilichen Konsens in der Finanzpolitik. Jetzt und nicht erst in der nächsten Legislatur. An einer Reform der Schuldenbremse dürfte letztlich kein Weg vorbeiführen. Doch auch über die Verteilung der Steuereinnahmen sollte gesprochen werden.

Denn Deutschland kommt ja nicht aus harten Sparjahren. Als die Wirtschaft noch brummte und die Zinsen niedrig waren, steckte die Regierung die sprudelnden Steuereinnahmen aber lieber in den Konsum der Alten – Stichwort Rente mit 63 und Mütterrente – als in die volkswirtschaftliche Substanz für das Wachstum der Zukunft.

Marode Schulen, fehlende Wohnungen, unpünktliche Züge – die Folgen spürt jeder. Es wird deshalb Zeit, dass die Politik die Belange der Jungen wieder höher gewichtet – zum Wohle aller.

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