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Politik: EU-Truppe im Tschad gefährdet

Berlin - Den Kindern wird alles zu viel. Die 103 angeblichen Waisen, die eine französische Hilfsorganisation aus dem Tschad ausfliegen wollte, verstehen nicht, warum sich plötzlich so viele Politiker und Journalisten für sie interessieren.

Berlin - Den Kindern wird alles zu viel. Die 103 angeblichen Waisen, die eine französische Hilfsorganisation aus dem Tschad ausfliegen wollte, verstehen nicht, warum sich plötzlich so viele Politiker und Journalisten für sie interessieren. Sie möchten so schnell wie möglich zu ihren Familien zurück. Denn Waisen, das steht inzwischen fest, sind die meisten von ihnen nicht. In der Affäre geht es indes nicht nur um das Schicksal der Kinder, die Arche de Zoé Gastfamilien in Frankreich anvertrauen wollte, sondern um das westliche Engagement im Tschad und dem Sudan insgesamt.

Der Anwalt von Arche de Zoé, Gilbert Collard, wirft Tschads Präsident Idriss Déby vor, die Rettungsaktion der Organisation zu instrumentalisieren, um die Hilfe aus dem Ausland generell zu diskreditieren. Déby hatte nach der Festnahme der Arche-de-Zoé-Mitarbeiter erklärt, sie hätten die insgesamt 103 Kinder an Pädophile oder Organhändler verkaufen wollen. „Die Vorwürfe wurden übertrieben, weil die Regierung bei den Verhandlungen über die Stationierung einer EU- Truppe im Tschad daraus Kapital schlagen will“, sagte Collard dem Sender France Info.

Die von Frankreich geführte EU- Truppe soll ab Mitte November im Osten des Tschad Flüchtlingslager schützen. Dorthin haben sich etwa 240 000 Menschen aus dem benachbarten Sudan gerettet, weil in ihrer Heimatprovinz Darfur seit 2003 lokale Rebellen gegen regierungsnahe Milizen kämpfen. In diesem Krieg sind mindestens 200 000 Menschen getötet worden – und hat längst die Grenze zum Tschad überschritten. Inzwischen sind auch 170 000 Tschader in ihrem eigenen Land auf der Flucht.

Die 2500 EU-Soldaten haben den Auftrag, die Lage zu stabilisieren, damit zumindest die Tschader bald in ihre Dörfer zurückkehren können. Déby sieht durch den Einsatz allerdings seine Souveränität verletzt und hat sich lange dagegen gewehrt. Er verlangt außerdem, dass die internationale Gemeinschaft möglichst schnell andere Aufnahmeländer für die Flüchtlinge aus dem Sudan sucht.

Débys Verhalten lässt kaum vermuten, dass er nach wie vor ein enges Verhältnis zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich unterhält. Nach Ansicht von Beobachtern versucht er dies durch seine Attacken gegen die Helfer aus Frankreich sogar bewusst zu überspielen, um seine Position im Land zu stärken. In Wahrheit steht der Präsident innenpolitisch unter Druck. Ohne die Rückendeckung der 1000 permanent im Tschad stationierten französischen Soldaten wäre er kaum noch an der Macht. Sie halfen bereits mehrfach, Aufstände gegen die Regierung niederzuschlagen, zuletzt wehrten sie 2006 einen Angriff von Rebellen auf die Hauptstadt Ndschamena ab. Dabei ist Déby keineswegs ein redlicher Demokrat: Er putschte sich 1990 selbst an die Macht. Sein Regime gilt als korrupt, Menschenrechtsorganisationen weisen immer wieder auf Missstände hin. Frankreich und andere ausländische Staaten haben darüber bislang hinweggesehen, weil sie in Déby einen Garanten für Stabilität sehen. Sie fürchten, die zersplitterte Opposition könnte das Land ins Chaos stürzen und die Ausbeutung der Öl- und Gasvorkommen durch ausländisch Konsortien behindern. Ulrike Scheffer

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