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Die Grünen: Europäisch und europakritisch

Die Grünen werden nach Erfolg in Hessen demnächst an Straßburg gemessen. Doch wer auf die aussichtsreichen Plätze kommt, ist noch umstritten. Auch Werner Schulz will ein Comeback versuchen.

Von
  • Sabine Beikler
  • Matthias Meisner

Nach der Hessen-Wahl gerieten die Grünen wegen ihres guten Abschneidens regelrecht ins Schwärmen. Doch die Landtagswahlen in diesem Jahr werden nicht einfach. Und auch bei der Europawahl im Juni haben sich die Grünen eine hohe Messlatte gelegt: Bei der Europawahl 2004 erzielten sie 11,9 Prozent, ihr bestes Ergebnis überhaupt. Die Parteispitze gibt sich kämpferisch und stellt ihren dreitägigen Parteitag von Freitag bis Sonntag in Dortmund unter das Motto "Europa klar machen". 750 Delegierte werden die Europawahlliste und das Programm verabschieden.

Vor fünf Jahren zogen 13 deutsche Grünen-Abgeordnete in das EU-Parlament ein. Die aussichtsreichen Plätze könnten diesmal weniger sein, zum Teil sind sie deshalb auch heftig umkämpft. Unangefochten sind Rebecca Harms und Reinhard Bütikofer auf die Spitzenplätze gesetzt. Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International, Heide Rühle, Angelika Beer, Hiltrud Breyer und Elisabeth Schroedter wollen ebenso wie der Berliner Michael Cramer und Attac-Mitbegründer Sven Giegold auf vorderen Plätzen kandidieren. Giegold, der erst vor vier Monaten Parteimitglied wurde, kündigte mit dem Votum aus Nordrhein-Westfalen eine Kandidatur auf Platz vier an. Auch der Agrarexperte Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf will wieder nach Europa - allerdings ohne das Votum seines nordrhein-westfälischen Landesverbandes.

Werner Schulz: Die Grünen waren ein "Außenministerwahlverein"

Ein Comeback versucht derweil ein anderer bekannter Grünen-Politiker: Werner Schulz, Bundestagsabgeordneter von 1990 bis 2005 und seitdem im politischen Vorruhestand, will sich um einen der aussichtsreichen Plätze auf der Europawahlliste bewerben, wohl erstmals auf Platz acht antreten. Leicht wird das für den ehemaligen Politiker von Bündnis 90 nicht, der lange Jahre erst Fraktionsgeschäftsführer und dann wirtschaftspolitischer Sprecher war - zuletzt hatte der Ostdeutsche in seiner Partei die Rolle des Entfremdeten eingenommen. Er bekämpfte die 2005 vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder angestrebte vorzeigte Auflösung des Bundestages, verglich das Parlament mit der Volkskammer, rügte die rot-grünen Hartz-Reformen ("Murks", "Reanimationsprogramm für die PDS") und verzichtete auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag nicht auf Kritik am früheren Außenminister Joschka Fischer: "Viele Kämpfe und Verluste säumen seinen Egotrip", sagte er 2006, aus den Grünen sei in der Regierungszeit ein "Außenministerwahlverein" geworden.

Sollte Schulz ins Straßburger Parlament gewählt werden - er tritt ohne Unterstützungsvotum eines Landesverbandes an - will er sich um die Osteuropapolitik kümmern. "Endlich könnte mir mal mein Russisch zugute kommen, das ich in der Schule gelernt habe". Die "emotionale Beziehung" zu Europa müsse besser rübergebracht werden, sagt Schulz. Und spricht von der Europawahl als wichtigem "Aufschlag für alle weiteren Wahlen" 2009.

Die Grünen geben sich zwar bewusst europäisch, doch wieweit sich die Partei europakritisch geben darf, darüber werden auf dem Parteitag in Dortmund viele Diskussionen erwartet. Nach dem 57-seitigen Entwurf für das Wahlprogramm sind etwa 600 Änderungsanträge eingegangen. Im Mittelpunkt des Programms stehen die Themen Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftspolitik. Die Partei fordert unter anderem eine europäische Finanzmarktaufsicht und mehr Gemeinsamkeiten in der Steuerpolitik.

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