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Urteil: Falsche Milde für Quälerei in der Kaserne

"Geiselnahmeübung", so hieß es in der Diktion der Ausbilder, was Bundeswehrrekruten in der Coesfelder Freiherr-vom-Stein-Kaserne 2004 über sich ergehen lassen mussten.

Die Ausbilder formten ein "Überfallkommando", entwaffneten die Rekruten und fesselten sie schmerzvoll mit Kabelbindern. Einer ließ sich sogar fotografieren, wie er in Triumphpose seinen Fuß auf den Rücken eines Opfers stellte. Es gab Scheinerschießungen, den Rekruten wurde mit einer Kübelspritze Wasser in Mund und Nase gepumpt, bis ihnen die Luft ausging. Als "Bettnässer" verhöhnten die Ausbilder einige Untergebene, nachdem jene Wasser und Sand in ihre Hosen bekommen hatten.

Am Mittwoch stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe klar, dass solche Rollenspiele scharf geahndet werden müssen. Zehn weitere Verfahren sind in der Sache noch anhängig. Die jetzt aufgehobenen Urteile des Landgerichts Münster gingen zu milde mit einem der größten Bundeswehrskandale der letzten Jahre um. Ein Stabsunteroffizier hatte eine Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren Haft erhalten, zwei bekamen Geldstrafen, zwei weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die Haftstrafe hielt der BGH aufrecht, die Verfahren der vier weiteren Angeklagten müssen in Münster neu aufgerollt werden.

Das Urteil betont die Verantwortlichkeit der Vorgesetzten für ihre Untergebenen. Sie könnten sich nicht zugute halten, dass sie bei den Übergriffen zum Teil selbst nicht aktiv beteiligt waren. "Dies widerspricht den Grundsätzen der mittäterschaftlichen Zurechnung", hieß es. Auch hätte das Gericht nicht ohne weiteres die Argumentation akzeptieren dürfen, dass die Ausbilder ihre Aktion subjektiv für erlaubt gehalten hätten. Der BGH warf den Richtern ferner vor, mit den Aussagen der Angeklagten zu unkritisch umgegangen zu sein.

Die Bundeswehr trainiert zwar das Verhalten im Fall von Geiselnahmen, jedoch nur an drei festgelegten Standorten mit speziell geschulten Ausbildern. Coesfeld gehört nicht dazu. Der Kompaniechef, der in einem anderen Verfahren verurteilt wurde, hatte die Übungen genehmigt. Misshandlungen an Rekruten sind nicht nur nach dem Strafgesetzbuch verboten, sondern werden auch nach dem Wehrstrafgesetz mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht. Ebenso wird bestraft, "wer einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert."

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