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Verständigungsprobleme? Wir doch nicht! Ministerpräsident Erdogan und die Kanzlerin am Mittwoch vor der Presse im Kanzleramt. Foto: Michael Sohn/dapd

© dapd

Politik: Freundliche Zwietracht

Merkel stimmt den Gast aus Ankara mit Aussagen zur PKK und Syrien milde – Differenzen bleiben.

Von Hans Monath

Berlin - Zum Abschluss seines Besuchs in Berlin griff der türkische Ministerpräsident ganz tief in die Schmeichelkiste. „Wir haben hier eine wunderbare Hausherrin erlebt“, schwärmte Recep Tayyip Erdogan, als er am Mittwoch im Kanzleramt nach dem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gemeinsam mit ihr vor die Presse trat. Trotz aller zur Schau gestellten Harmonie bestehen in wichtigen Fragen zwischen beiden Regierungen aber weiter Differenzen.

Vor allem zwei Versprechen der Kanzlerin stimmten den Gast aus Ankara offenbar versöhnlich, zu denen sie allerdings kaum Details nannte. Massiv hatte die türkische Regierung darauf gedrängt, dass Berlin und die EU schärfer gegen die Kurdenorganisation PKK vorgehen. Merkel versprach nun, sie wolle die Zusammenarbeit gegen die PKK intensivieren und „alles tun, was terroristische Aktivitäten unterbindet, auch wenn sie von Deutschland aus geführt werden“. Dass Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) beim Besuch in Ankara am selben Tag Erdogans Kritik am angeblich laxen deutschen Vorgehen gegen die PKK brüsk zurückwies und rechtsstaatliche Mängel dort monierte, konnte der Gast im Kanzleramt da verschmerzen.

Zudem bot Merkel humanitäre Unterstützung für die syrischen Flüchtlinge in der Türkei an. „Die Situation in Syrien ist für die Türkei eine echte Belastung“, erklärte sie. Erdogan sagte, sein Land brauche „unbedingt die Unterstützung und den Beistand Deutschlands“ und würdigte die deutschen Bemühungen zur Einbindung Russlands und Chinas im UN-Sicherheitsrat. Die Kanzlerin versicherte, Deutschland fühle sich für die Sicherheit der Türkei verantwortlich und lobte, in dem Konflikt habe Ankara „besondere Besonnenheit an den Tag gelegt“.

Wenig Entgegenkommen von Merkel kann Erdogan dagegen in der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft erwarten. Obwohl das Thema im Gespräch keine Rolle spielte, forderte der Gast das Recht für Türken in Deutschland vor der Presse massiv ein. Auch in der Zypern-Frage zeigte sich der Premierminister unversöhnlich. Die Aufnahme „Süd-Zyperns“ in die EU sei ein Fehler gewesen, der sich immer weiter auswachse.

Merkel versäumte nicht, die beeindruckende ökonomische Entwicklung der Türkei zu loben und gestand offen ein, „dass wir uns im Euro-Raum eine ähnliche Dynamik wünschen würden, wie sie die Türkei im Moment hat“.

Freilich zieht die Kanzlerin daraus nicht den Schluss, die Türken sofort als dynamisches Moment in die EU zu holen, wie Erdogan sich das wünscht. Am Abend zuvor hatte er sein Land mit Verweis auf Wirtschaftskraft und Spardisziplin als Krisenhelfer für Europa empfohlen, das die Maastricht-Kriterien besser als manches Mitgliedsland erfülle. Zugleich bemängelte er den Umgang der EU mit der Türkei. Auf Erdogans Kritik angesprochen, versicherte Merkel, die EU sei „ein ehrlicher Vertragspartner“. Über den Beitritt werde ergebnisoffen verhandelt. Ungeachtet des CDU-Ziels einer privilegierten Partnerschaft stehe ihre Regierung zum Prozess.

Einen etwas anderen Akzent hatte am Vorabend Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gesetzt. Der Stillstand in den Beitrittsverhandlungen sei für beide Seiten nicht gut, meinte er anlässlich eines Besuchs in der neuen türkischen Botschaft in Berlin. Im nächsten Jahr solle ein „neuer Anfang“ gemacht werden.

Gegen den Besuch Erdogans demonstrierten vor dem Brandenburger Tor mehrere tausend Menschen (siehe nebenstehenden Text). mit dpa

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