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Nahost: Hamas: Vermittler aus Deutschland vor Rücktritt

Streit mit Israel um Gefangenenaustausch

Gerhard Conrad, der Vermittler des deutschen Nachrichtendienstes BND zwischen Israel und der Hamas über einen Gefangenenaustausch, soll unmittelbar vor seinem Rücktritt stehen – so sagen es zumindest Hamas-Sprecher. Zugleich machen sie Israel dafür verantwortlich. Es ist nicht das erste Mal, dass die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas das Scheitern Conrads und seiner Demission prophezeit. Doch diesmal deuten Begleitumstände darauf hin, dass die deutsche Vermittlung tatsächlich am Ende angelangt sein könnte.

Ägyptischen Zeitungsmeldungen zufolge sollen die indirekten Verhandlungen über einen Austausch des vor 1315 Tagen in den Gazastreifen verschleppten israelischen Soldaten Gilad Shalit gegen rund 1000 in israelischer Haft befindliche Palästinenser in der kommenden Woche wieder aufgenommen werden. Doch diesmal werde nicht Conrad als Vermittler tätig werden, sondern die Franzosen. Im Gegensatz zum BND-Mann würden die Franzosen versuchen, den Austausch in einer einzigen Aktion zu vollziehen und nicht in drei Phasen, wie es Conrad mit den beiden Seiten vereinbart habe.

Conrad habe Israel und der Hamas eine Frist bis Jahresbeginn 2010 eingeräumt, um zu einer Einigung zu gelangen. Andernfalls werde er zurücktreten. Dies behauptet Izzat Ar-Rashaq, Politbüromitglied der Hamas, der gleichzeitig auch die angeblichen Gründe für Conrads mögliches Scheitern nennt: Israel verweigere die Freilassung der sechs prominentesten Häftlinge, die von der Hamas verlangt würde, und wolle fast alle Freizulassenden aus dem Westjordanland in den Gazastreifen oder ins Ausland abschieben. „Dies wäre kein Gefangenenaustausch, sondern eine Deportationsübereinkunft.“

Bei den sechs Prominenten handelt es sich um vier Hamas-Anführer sowie den wegen des Mordes am israelischen Touristikminister Zeevy verurteilten Generalsekretär der linken Volksfront PFLP, Ahmad Saadat, und den populären Intifada-Anführer Marwan Barghouthi von der Fatah.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu soll demgegenüber bereit sein, mehrere hundert Häftlinge, die der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas angehören, freizulassen. Dies sei eine Geste des guten Willens im Rahmen der von den USA und Ägypten unternommenen Bemühungen um eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und der Palästinenserführung, hieß es.

Netanjahu hat seinen Ministern mitgeteilt, dass der amerikanische Chefvermittler George Mitchell ihm diese Woche neue interessante Vorschläge unterbreitet habe. Nach Angaben aus Jerusalemer Regierungskreisen soll Mitchells Plan vorsehen, dass Israelis und Palästinenser zuerst nicht direkt verhandeln, sondern in einer ersten Phase „Annäherungsgespräche“ führen, ähnlich denjenigen zwischen Israel und Syrien, die von der Türkei vermittelt wurden und seit Amtsantritt Netanjahus eingestellt sind. Mitchell habe außerdem die Freilassung von Fatah-Häftlingen und die Abschaffung weiterer Straßensperren und Kontrollpunkte im Westjordanland vorgeschlagen.

Der palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad sprach sich gegenüber hohen spanischen Offiziellen für eine sofortige Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Israel aus. Präsident Mahmud Abbas sei es, der sich weigere, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, so der parteiunabhängige Fayyad. Er bestätigte damit indirekt Israels Behauptung, dass allein die Palästinenser sich weigerten, wieder zu verhandeln.

Charles A. Lansdmann[Tel Aviv]

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