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Im Zugzwang. Die CSU kann sich offenbar nicht auf einen Nachfolger von Georg Fahrenschon einigen. Das beschädigt am meisten den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Er braucht rasch einen starken Finanzminister. Foto: Peter Kneffel/dpa

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Bayern: Hoffnungsträger(in) gesucht

Horst Seehofer braucht dringend eine überzeugende Lösung für das Finanzministerium – sein erster Vorschlag war es offenbar nicht.

Für Horst Seehofer läuft es nicht gut seit Freitagabend vergangener Woche. Da hatte ihm sein Finanzminister und CSU-Parteifreund Georg Fahrenschon brüsk per Zeitungsinterview mitgeteilt, dass er sein Amt niederlegt und in die Wirtschaft wechseln will, nämlich als Chef des Sparkassen-Bundesverbands. Das ist ein sicherer Posten mit lukrativem Gehalt. Bayerns Ministerpräsident kündigte an, die Nachfolge des wichtigen Kabinettspostens schnell regeln zu wollen – „noch vor Allerheiligen“. Und das wohl auch, um seinen Ärger über den Abgang des als Hoffnungsträger titulierten Fahrenschon rasch hinter sich lassen zu können.

Am Dienstag allerdings stieß man in der CSU und in der Staatskanzlei den ganzen Tag nur auf Schweigen. Es sei noch nichts entschieden, erklärte ein Sprecher Seehofers. Am Nachmittag verkündete eine Kollegin, dass nichts mehr passiere und man sich nicht vor Mittwoch äußern werde. Die Suche wird zum Dilemma, offenkundig kann man sich in der Partei nicht auf einen Nachfolger beziehungsweise eine Nachfolgerin einigen. Am meisten beschädigt dies den Regierungschef selbst.

Eine Nacht lang durfte sich Sozialministerin Christine Haderthauer als neue Chefin über die Finanzen wähnen. Am Montagabend wurde gemeldet, Seehofer habe sich für die meist ziemlich forsch auftretende 48-jährige Ingolstädterin entschieden.

Gerade im Freistaat ist das Amt wichtig – der Ressortchef muss sofort in der Lage sein, die spezielle bayerische Haltung zu weiteren Griechenland-Hilfen zu vertreten. Die Linie lautet: Bis hierhin und nicht weiter, zusätzliche Kredite soll es nicht mehr geben. Damit dürfte es nicht einfach werden bei künftigen Gesprächen in der Berliner Koalition oder in Brüssel. Auch braucht Seehofer einen guten Finanzminister, um bei den diversen Steuerentlastungskonzepten den Überblick zu bewahren und eigene Ideen für den Wahlkampf zu entwickeln. Zudem rühmt sich die Staatsregierung seit Jahren, ohne Neuverschuldung auszukommen.

Einiges spricht für Haderthauer. Sie hat seit 2008 gelernt, ein Ministerium zu führen. Auch wäre es angesichts der von der Partei angestrebten Frauenquote gut, wenn sie im Kabinett bliebe und eine weitere Frau ihr bisheriges Ressort übernähme – im Gespräch ist dafür die 36-jährige Melanie Huml, bisher Staatssekretärin unter Markus Söder im Umweltministerium. Als Oberbayerin würde Haderthauer auch nicht den für das Land so wichtigen Regionalproporz durcheinanderbringen, denn Fahrenschon stammt ebenfalls aus Oberbayern. Und zudem würde sie, die sich nicht wegduckt, in der Öffentlichkeit sowie in Talkrunden eine gute Figur abgeben.

Allerdings gibt es gegen Haderthauer nun massive Widerstände in der Partei. Den Haupteinwand traut sich momentan keiner offen zu formulieren. Er lautet, dass die auf Familienrecht spezialisierte Juristin keine Kenntnisse in der Finanzpolitik habe. Diplomatisch sagt man: „Sie könnte es auch nicht schlechter als andere.“ Es ist in Bayern ein ungünstiger Zeitpunkt, um in einer solch komplizierten Partei wie der CSU diese Personalfrage klären zu müssen. Das öffentliche Leben ruht wegen des Feiertags und des dazu gehörenden Brückentags. Manche Zuständige haben einen Kurzurlaub eingelegt, andere fahren an Allerheiligen in ihre Heimatgemeinden, gehen in den Gottesdienst und danach auf den Friedhof.

So schwirren denn dieser Tage mehrere Namen als Gerüchte umher, zu denen sich niemand offiziell äußern will. Innenminister Joachim Herrmann wurde als Fahrenschon-Nachfolger genannt, doch er mag nicht. Markus Söder würde wollen – er darf aber nicht, weil er den Atomausstieg und die Energiewende umsetzen muss. Hartmut Koschyk, CSU-Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, hat abgelehnt. Seinem Pendant in München, Franz Josef Pschierer, traut man die Aufgabe nicht so richtig zu. Zwei Unternehmer als Quereinsteiger sollen abgewunken haben, andere Aspiranten stammen aus der dritten oder vierten Reihe.

Christine Haderthauer ist eine Politikerin mit zwei Gesichtern. Bekannt wurde sie erst 2007, als der damalige Parteichef Erwin Huber sie zur CSU-Generalsekretärin kürte. Sie gab und gibt sich feministisch und liberal. Sie kämpft dafür, dass Frauen in Politik und Wirtschaft aufsteigen und kritisiert das veraltete CSU-Gesellschaftsbild. Am Dienstag ließ sie in einer Mitteilung zum „Welttag des Mannes“ am 3. November verkünden: „Aktive Väter sind keine Softies, sondern ganze Männer – moderne Frauen suchen sich ganze Männer!“

Im vergangenen Jahr allerdings hat Haderthauer auch gezeigt, dass sie sich politisch problemlos nach rechts wenden kann. So verhöhnte sie hungerstreikende Asylbewerber mit der Aussage, der Freistaat werde sie mit allem Erdenklichen bei der Rückkehr in die Heimat unterstützen. Auch schuf sie noch stärkere Ressentiments gegen muslimische Zuwanderer als Seehofer selbst. Und beim Streit um das geplante Betreuungsgeld pocht sie auf die Barzahlung und stellt sich damit gegen die Berliner CDU-Ministerinnen Kristina Schröder und Ursula von der Leyen.

Nach einer Nacht als Fahrenschons designierte Nachfolgerin wusste Christine Haderthauer am Dienstag nicht mehr, welches Ministerium sie künftig leiten wird. Vielleicht erfährt sie es am heutigen Mittwoch und kann dann auch wieder ruhiger schlafen.

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