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Am Sonntagabend in Emmanuel Macrons Lieblingsrestaurant - mit ihm und US-Präsident Joe Biden stimmt sich Olaf Scholz zur Ukraine am engsten ab.

© REUTERS/HANDOUT

Kanzler entscheidet über Kampfpanzer: Was Scholz bei der Leopard-Frage umtreibt

Auch Deutschland erwägt, der Ukraine mit Kampfpanzern zu helfen. Kanzler Scholz nimmt sich für die Entscheidung aber Zeit.

Unterlassene Hilfeleistung! Deutschland isoliert! Europa gespalten! Amerika sauer! Die Vorwürfe, die sich Olaf Scholz anhören muss, sind teils vernichtend. Stets aber wiederholt er – so auch wieder am Sonntag in Paris stoisch seine Linie, wonach er eng mit den Verbündeten abgestimmt vorgeht.

Scholz will die heiklen Fragen nicht vor Publikum erörtern. Der Diskussionsprozess, sagt sein Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag, „läuft umso besser, je weniger öffentlich er läuft“. Er skizziert seinen Chef als jemanden, der sich auch unter Druck „seine Zeit nimmt, bis er Dinge sagt“.

Die kommunikative Zurückhaltung produziert Missverständnisse

Freilich produziert der Kanzler so auch gewaltige Missverständnisse. Etwa jenes, dass Deutschland beim Verteidigungsministertreffen am Freitag quasi schon Nein gesagt hat zu Kampfpanzern. Für Scholz war stets klar, dass die Sache auf höchster, also seiner Ebene entschieden werden muss, da noch viele Fragen offen sind und es unter den Verbündeten bisher „kein einheitliches Meinungsbild“ gibt, wie sein neuer Verteidigungsminister Boris Pistorius aus Ramstein berichtete.

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Eine deutsche Isolation hält man im Kanzleramt jedenfalls für eine Mär. Die Leopard-Aussagen aus Polen, Finnland oder dem Baltikum werden eher als Minderheitsmeinung gewertet. Großbritannien mit dem guten Dutzend zugesagter Challenger-Kampfpanzern wird wegen seiner nach dem Brexit innenpolitisch aufgewühlten Lage in einer Sonderrolle gesehen.

Entscheidend sind für Scholz die Atommächte Frankreich und die USA – mit Emmanuel Macron wie Joe Biden wähnt er sich in engster Abstimmung.

Nur gemeinsam mit den USA ins höhere Risiko

Dabei spielt die vor fast einem Jahr formulierte Prämisse, dass die Nato nicht direkt in den Krieg involviert werden darf, mehr denn je eine zentrale Rolle. Wie kann der Westen die Militärhilfe ausweiten, ohne einen Weltkrieg zu riskieren?

Befürworter von Leopard-Lieferungen argumentieren, die Eskalationsdominanz liege ohnehin bei Russlands Präsident Wladimir Putin, man dürfe sich nicht lähmen lassen von der Atomangst, mit der der Kreml bewusst spiele. Dennoch erörtert Scholz die Frage, welche Gefahr auch für Deutschland damit verbunden wäre, wenn in der Ukraine deutsche Kampfpanzer direkt auf russische träfen.

Wir werden unsere Unterstützung so lange fortsetzen, wie das notwendig ist, und mit den Mitteln, die dazu erforderlich sind.

Olaf Scholz, Bundeskanzler

In Washington wie in Berlin wird zudem diskutiert, was es bedeuten könnte, Kiew mit Leoparden in die Lage zu versetzen, offensiv russische Frontlinien zu durchbrechen und auf die 2014 annektierte Krim vorzurücken.

Obwohl die Besetzung vom Westen nie anerkannt wurde, gilt es manchen zumindest als bedenkenswert, dass Putin anders auf Niederlagen auf der Schwarzmeerhalbinsel reagieren könnte, als bei den im Sommer von der Ukraine zurückeroberten Gebieten, die ebenfalls schon zu russischem Gebiet erklärt worden waren.

Argumente für eine Lieferung kennt Scholz auch

Die Argumente für die Neuausstattung der ukrainischen Armee sind Scholz freilich nicht fremd. Der Verschleiß ist groß. Auch geht es in nächster Zeit womöglich nicht um Befreiung weiterer Gebiete, sondern wieder darum, eine ukrainische Niederlage zu verhindern.

Die Anzeichen für eine weitere russische Mobilmachung und eine Großoffensive im Frühjahr verdichten sich. Deshalb hat Scholz gerade die Unterstützungszusage zur Verteidigung der Ukraine erneuert, „mit den Mitteln, die dazu erforderlich sind“.

Dem Vernehmen nach geht es in den Gesprächen darum, dass möglichst viele europäische Ukraine-Unterstützer eine kleinere Zahl von Leopard-Panzern abgeben, damit sie in der Summe etwas bewirken können. Scholz dringt aber darauf, dass die Amerikaner involviert sind.

Es müssen wohl nicht unbedingt Abrams-Panzer sein, gegen deren Entsendung US-Militärs technische Bedenken vorbringen. Möglicherweise wird daher über einen alternativen, aber gleichwertigen Beitrag gesprochen. 

Aus dem Nato-Doppelbeschluss von 1979 zieht Scholz die Lehre, dass keine Zweifel an der  atomaren Abschreckung durch die USA aufkommen dürfen. Da sie die Ukraine bisher am meisten unterstützt haben, steht auch diese Scholz-Position in der Kritik. Er zieht aus seinem Amtseid dagegen den Schluss, dass er in Bezug auf die Ukraine mehr Risiko nur zusammen mit Biden eingehen kann.

Nun werde darüber geredet, „unter welchen Kautelen“, so der Regierungsprecher, Leopard-Panzer geliefert werden könnten. Die bevorstehende Entscheidung sei „keine Frage von Monaten“ mehr. Dass die Zeit drängt, ist offensichtlich - auch mit Blick auf seine zunehmend kritischen Ampelkoalitionäre.

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