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Hillary Clinton

© dpa

US-Vorwahlkampf: Mit dem Jahreswechsel zum Machtwechsel

Ein solch ausuferndes Wahlspektakel hat Iowa noch nicht erlebt. Am 3. Januar befinden die Demokraten in dem US-Bundesstaat über den Spitzenkandidaten ihrer Partei. Für Hillary Clinton und ihre Konkurrenten galt es, auch in der Silvesternacht noch zu punkten.

Bill Clinton ist immer noch der beste Entertainer, um eine politische Silvesterparty so richtig anzufeuern. "Hillary ist bei weitem die fähigste Kandidatin", ruft der Expräsident kurz vor Mitternacht, und die rund tausend Wahlkampfgäste in Des Moines, der Hauptstadt des Bundesstaats Iowa, lassen seine Worte im Jubel untergehen. Sie verbinden mit dem Jahreswechsel die Hoffnung auf den Machtwechsel 2008 unter Hillary Clintons Führung - und vielleicht auch ein bisschen Vorfreude darauf, dass der Vorwahlkampf in Iowa mit dem bevorstehenden Votum am Donnerstag endlich vorbei ist. Denn ein dermaßen ausuferndes Wahlspektakel wie dieses hat Iowa noch nicht erlebt. Wahlstress pur - für die Politiker wie für die Wähler.

Weil es die Tradition so will, findet alle vier Jahre ausgerechnet in dem unauffälligen Agrarstaat Iowa im Herzen der USA die erste Vorwahl im Präsidentschaftswahlkampf statt. Dabei befinden die Parteimitglieder über den Spitzenkandidaten ihrer Partei. Und weil diesmal in Iowa bereits am 3. Januar abgestimmt wird, wollten die Wahlkämpfer sich und ihren Wählern nicht einmal zu Silvester eine Auszeit gönnen.

Prost Wahljahr

Deshalb haben die Clintons die Wähler zur Silvesterparty mit Livemusik und Sekt geladen: Prost Wahljahr allerseits. "Neues Jahr, neuer Anfang", heißt das verheißungsvolle Motto der Party im Foyer eines Bürohauses. Gegenkandidat Barack Obama feiert derweil mit seinen Fans im großen Auditorium der University of Iowa. Und John Edwards, der dritte Aspirant, macht gleich die Nacht zum Tage. Für halb drei nachts ist auf seinem Programm ein Treffen mit Gewerkschaftern vermerkt, für fünf Uhr dann ein Besuch im Wahlkampfbüro.

Die Botschaft lautet: Keine Zeit zum Schlafen, jede Stimme zählt. Die drei Bewerber der US-Demokraten sind zuletzt in Iowa-Umfragen fast gleichgezogen. Jeder kämpft für einen Sieg, um dies als Startvorteil im Rennen um das Weiße Haus zu nutzen. Die Kampagne in Iowa ist eines der bizarrsten Rituale der US-Politik: Angefangen hatte es vor Jahrzehnten mit dem simplen Tingeln der Kandidaten durch die tief verschneiten Dörfer, heute ist es eine Materialschlacht.

Sechs Werbeanrufe - jeden Abend

Dem Werben der Politiker kann keiner mehr entkommen: Täglich prasseln mehr als tausend politische TV-Spots auf die Zuschauer in Iowa ein, allein die Kandidaten der Demokraten pumpen über 24 Millionen Dollar in Fernsehwerbung - und das bei nur etwa 150.000 erwarteten Wahlteilnehmern. In lokalen Medien beklagen Wähler, dass sie jeden Abend ein halbes Dutzend Werbeanrufe von Wahlhelfern bekommen.

Wegen ihrer Stellung als Erste im Wahlkalender sind die Menschen in Iowa die am intensivsten umworbenen Wähler in den USA - und die anspruchvollsten. TV-Werbung allein genügt ihnen nicht, sie legen Wert auf die persönliche Begegnung. Deswegen ist Hillary Clinton noch am Tag vor Silvester ins abgelegene 1600-Seelen-Dorf Traer gereist, um sich im Schatten von Mais-Silos vorzustellen. "Gestern abend bin ich noch in einem Kuhstall aufgetreten, das war ein Erlebnis", erzählt sie der Runde im holzvertäfelten Gemeindesaal. Die Senatorin versucht, das ländliche Publikum mit Gefühl und Bodenständigkeit zu überzeugen. "Ihre Gesichter und ihre Sorgen werde ich auch nicht vergessen, wenn ich Präsidentin bin", beteuert sie.

Gesundheitsfürsorge, Bildung, Politik für den Mittelstand: Clintons Zuhörer in Traer applaudieren routiniert. Viele haben bereits mehrere Kandidaten erlebt. Denn seit Monaten reisen die Konvois der Kandidaten über schnurgerade Straßen durch die endlosen Maisfelder Iowas, das nur 2,9 Millionen Einwohner, aber dreimal soviel Schweine zählt. Allein Clinton, Obama und Edwards kamen 2007 gemeinsam auf 570 Auftritte in Iowa. Dabei lernten die Wähler die Kandidaten kennen - und andersherum die Kandidaten die Wähler. Die Politiker stellen sich sogar auf das rustikale Ambiente ein: Der Großstädter Obama etwa erzählt regelmäßig, wie gerne er den Duft von frischem Mist mag.

Peter Wütherich[AFP]

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