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ARCHIV - 26.11.2019, Berlin: Christian Dürr (FDP), Mitglied des Deutschen Bundestages, spricht im Bundestag während der Debatte zum Bundeshaushalt 2020. (zu dpa «FDP fordert schnelle Liquiditätshilfen für Unternehmen») Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa

Wie die FDP ins Bundestagswahljahr gehen will: „NRW kann ein Modell für Deutschland werden“

Der FDP-Politiker Christian Dürr über nachhaltige Finanzen und das Streben seiner Partei in die Regierung mit der Union. Aber Jamaika schließt er nicht aus.

Herr Dürr, mit dem Dreikönigstreffen der FDP beginnt traditionell das politische Jahr. Wie geht Ihre Partei denn in das Bundestagswahljahr?
Auch 2021 wird die Corona-Epidemie die Politik bestimmen. In den ersten Monaten wird es darum gehen, wer das bessere Konzept zur Bekämpfung des Virus und seiner Folgen hat. Der jetzt beschlossene Lockdown war ja nichts anderes als eine Notbremse. Was fehlt, ist ein Plan, der weiter bis ins neue Jahr hinein reicht. Wir haben schon im Sommer gesagt, man müsse sich besser vorbereiten auf höhere Infektionszahlen im Winter, speziell mit Blick auf Pflege- und Altenheime, mit Blick auf Schnelltests.

Und wie lautet der Plan?
Wir müssen vermeiden, dass in der Corona-Politik ein Jo-Jo-Effekt entsteht – mal raus aus dem Lockdown, dann wieder rein. Der Mangel an Planungssicherheit führt nur zu Frustration in der Bevölkerung. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass ab Mitte Januar unbegrenzt kostenlose FFP2-Masken für Risikogruppen zur Verfügung stehen und dass die Schnelltests ausgeweitet werden. Bei jedem, der ein Pflege- oder Altenheim betritt, muss klar sein, dass keine Infektion vorliegt. Die Regierung will im kommenden Jahr 180 Milliarden Euro neue Schulden machen. Ein kleiner Teil davon für solche Präventionsmaßnahmen wäre gut investiertes Geld.

Aber es geht ja 2021 nicht nur um die ersten Monate, sondern im Herbst auch darum, wie die kommenden Jahre gestaltet werden. Und wie man mit den Corona-Folgen umgeht. Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Was will die FDP da bieten, auch um aus dem Umfragetief herauszukommen?
Im Augenblick sind es um die sieben Prozent, aber da geht natürlich mehr. Im Wahlkampf wird es entscheidend darum gehen, wie wir die Wirtschaft wieder in Gang bringen. Die Corona-Krise hinterlässt einen hohen Schuldenberg. Schulden sind das Grundnahrungsmittel der Koalition geworden, aber sie sind ein süßes Gift. Aus diesen Schulden müssen wir herauswachsen. Das geht nicht mit Steuererhöhungen, sondern umgekehrt mit Entlastungen vor allem im Mittelstand. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle bleibt daher eine Kernforderung der FDP. Und wir müssen an den Mittelstandsbauch bei der Einkommensteuer ran, also die aus unserer Sicht zu starke Belastung bei Mittelverdienern. Deutschland hat eine der höchsten Steuerquoten innerhalb der Industrieländer. Hohe Schulden, hohe Steuern – das ist keine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik.

Was verstehen Sie unter Nachhaltigkeit?
Dass künftige Generationen nicht überbelastet werden. Man darf ihnen nicht die Chancen nehmen, indem wir ihnen zu hohe Lasten hinterlassen.

Nun verstehen zum Beispiel ihre Konkurrenten von den Grünen Nachhaltigkeit etwas anders. Sie wollen über mehr Schulden ein großes staatliches Investitionspaket auflegen, um die niedrigen Zinsen jetzt zu nutzen.
Ich halte das für bedenklich und deswegen auch nicht für nachhaltig. Da sind Anreize für private Investitionen der bessere Weg. Im Übrigen haben wir die Schuldenbremse, und die hat in der Krise ja durchaus funktioniert.

Was auch bedeutet, dass man einen Teil der aktuellen Neuverschuldung tatsächlich tilgen muss. Da scheint aber die FDP zweigleisig unterwegs zu sein. Im Bund eher bei der Koalition, die einen Tilgungszeitraum von 20 Jahren beschlossen hat. In Nordrhein-Westfalen, wo Schwarz-Gelb regiert, sind es 50 Jahre.
Aber da werden Äpfel und Birnen verglichen. Ich war lange Landespolitiker, ein Landesetat ist anders gestrickt als der Bundesetat. In den Ländern sind viel mehr Mittel gebunden, etwa für Personalausgaben bei der Polizei oder für Lehrkräfte. Der Bund ist da flexibler. Da kann man auch leichter zu Einsparungen kommen. Die FDP hat vorgerechnet, wie man die Hälfte der Schulden 2021 – immerhin 180 Milliarden Euro – über Etatkürzungen vermeiden könnte. Andererseits müssen die Ausgabenprogramme effizienter werden.

Ein Beispiel?
Nehmen wir den Digitalpakt des Bundes mit den Ländern für die Schulen. Fünf Milliarden Euro im Bundeshaushalt, ein Prozent davon ist abgeflossen. Also viel Schaufenstergeld, aber wenig Wirkung. Der Pakt funktioniert nicht. Warum? Weil die Förderung falsch konstruiert ist. Es gibt zum Beispiel kein Geld vom Bund für den IT-Support an den Schulen, aber ohne den läuft die Digitalisierung eben nicht richtig an.

Nun wäre ja manches vielleicht besser gelaufen aus Ihrer Sicht, wenn sich die FDP 2017 für das Mitregieren entschieden hätte, oder? Die FDP hätte das Gesundheitsministerium besetzen können, das Finanzministerium, das Bildungsressort…
Aber damals hat es eben nicht gepasst.

Würde es denn 2021 passen mit einer Jamaika-Koalition?
Niemand will um jeden Preis regieren. Das gilt für jede Koalition. Aber ich bin Berufsoptimist. Und seither hat sich einiges verändert. Trotz der Gegensätze zwischen FDP und Grünen sind wir uns zum Beispiel einig, dass es in der Klimapolitik Bewegung geben muss. Uns eint das Ziel, die Pariser Klimaziele zu schaffen. Marktwirtschaftliche Instrumente und Technologieoffenheit spielen da eine große Rolle. Das sieht man auch bei den Grünen mittlerweile so. Ich kann mir schon vorstellen, dass man über das gemeinsame Ziel bei den Mitteln zusammenkommen kann.

Und was die Union betrifft – am liebsten wohl mit Armin Laschet als Kanzlerkandidat…
Das muss die CDU entscheiden. Wir arbeiten mit ihm in Nordrhein-Westfalen verlässlich zusammen. Mit ihm kann man ein Land tatsächlich nach vorne bringen, das haben wir dort gezeigt. NRW kann zum Modell für Deutschland werden.

Christian Dürr (43) ist stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und leitet den Arbeitskreis für Haushalt und Finanzen.

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