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Politik: Pausenlos Reformen

Die Grünen verzichten bei der Rente auf eine radikale Veränderung, sehen aber Handlungsbedarf – wie die SPD

Von Matthias Meisner

Von Markus Feldenkirchen

und Matthias Meisner, Wörlitz

Die Fachpolitiker hatten es sich konkret gewünscht. Als „wichtige Orientierungsmarke“ in der Debatte um die Reform der sozialen Sicherungssysteme sprachen sich Anna Lührmann, Grietje Bettin, Christine Scheel und Thea Dückert für das „Schweizer Modell“ aus, das einer Bürgerversicherung mit einer Grundsicherung nahe kommt. Der betrieblichen und kapitalgedeckten Vorsorge komme so eine wesentlich stärkere Bedeutung zu, schrieben die Abgeordneten in einem Thesenpapier für die Fraktionsklausur der Grünen, die am Freitag in Wörlitz in Sachsen-Anhalt endete.

Doch in der „Wörlitzer Erklärung“, mit der die Grünen dem „Reformjahr 2003“ Schwung geben wollen, ist nichts vom „Schweizer Modell“ zu lesen. An vielen Stellen bleibt das Schlusspapier der Tagung unverbindlich, auch wenn es nicht verschweigt, dass es soziale Sicherheit in Zukunft „nicht ohne Wandel und Veränderung“ geben werde. Bert Rürup, Chef der Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme, war in Wörlitz zu Gast – und hatte den Grünen noch einmal erklärt, wie kompliziert Veränderungen im Einzelnen sind. Er rechnete vor, dass die Einbeziehung von Beamten in die Sozialversicherungen langfristig teuer zu stehen kommen könne und dass der Hausbau als Teil der Altersvorsorge problematisch sei, weil künftig der Bedarf an Wohnungen sinken werde, und damit auch die Mieteinnahmen.

Entmutigt hat er damit die Grünen jedoch nicht. Die SPD bewege sich bei der Reform der sozialen Systeme, verkündete Grünen- Fraktionschefin Krista Sager. Und das sei auch gut so: „Wir können uns eine Reformpause nicht leisten.“ Interpretationen von Teilnehmern, Rürup habe mit seinen kritischen Bemerkungen in der Grünen-Runde das Schweizer Modell „geschlachtet“, widersprach Sager. Sie räumte aber ein, dass dieses Konzept nur eine Säule in einem Mix von verschiedenen Plänen zur Altersvorsorge sein könne. Erneut betonte die Fraktionschefin, die Riester-Rente sei ein „richtiger Schritt“ zur besseren Altersvorsorge, „der sich für die Menschen auch lohnt“. An der Idee eines individuellen Altersversorgungskontos müsse weiter gearbeitet werden, damit der Anreiz fürs Alter zu sparen erhöht werde. Denn was die Menschen heute als Lebensstandard im Alter erwarten, könnte die gesetzliche Altersvorsorge nicht leisten.

Amtskollegin Katrin Göring-Eckardt versicherte, die Grünen wollten „eine Reformallianz mit den Bürgern“, die auch gegen den Widerstand von Lobbyisten durchgesetzt werden müsse. Die Bürger wüssten, „dass die Reformen der Sozialsysteme, des Arbeitsmarktes und des Gesundheitssystems auch individuelle Opfer verlangen, ohne dass sie Existenzängste bekommen müssen“.

Auch die SPD diskutierte am Freitag über Reformen in der Rentenversicherung. Durch die rasche Veränderung der ökonomischen Basis unterläge das System einer ständigen Prüfung, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder vor der Fraktion. Daher müssten sich auch die Gesetze schneller ändern als in der Vergangenheit. „Das verschärfte Reformgerede“ gefiel aber nicht allen Abgeordenten. So warnte etwa der Sozialpolitiker Ottmar Schreiner vor einem Abbau des Sozialstaates. Dafür gebe es keinen Anlass, sagte er. Insgesamt aber waren Kanzler und Fraktion auf Konsens bedacht.

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