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Das Atomkraftwerk Isar 2 ist noch bis zum Jahreswechsel am Netz.

© Foto: dpa/Jan Woitas

Kämpfe um Atomkraftwerk: Die Angst vor der Strahlung ist zurück

Angesichts des Ukrainekriegs ist die Mehrheit der Deutschen besorgt über einen möglichen Reaktorunfall. Über das Verhalten im Notfall herrscht großes Unwissen.

Seit dem 24. Februar haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Inge Paulini deutliche mehr zu tun als üblich. Mails, Briefe, Anrufe mit vielen, vielen Fragen. „Der Krieg in der Ukraine rückt das Risiko eines nuklearen Unfalls wieder stärker ins Bewusstsein“, sagt die Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz.

Die Drohungen des russischen Präsidenten mit einem Nuklearschlag, die Kämpfe um das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine, die Diskussion über einen Streckbetrieb der letzten deutschen Atomkraftwerke - Diskussionen über Gefahren und Nutzen der Atomkraft erleben seit Monaten ein Comeback. Ebenso wie die Angst vor der nuklearen Strahlung.

Das geht aus einer Studie des Bundesamts für Strahlenschutz hervor, die am Donnerstag im Umweltministerium in Berlin vorgestellt wurde. Demnach sind 63 Prozent der 2000 Befragten sehr beunruhigt, dass es zu einem Unfall mit einer radioaktiven Belastung kommen könnte. Vor allem ältere Menschen und Frauen würden sich vor einem Unfall fürchten. „Die vielen Anfragen zeigen, dass es eine große Verunsicherung gibt“, sagt Paulini.

Wo Wissen fehlt, müssen wir die Lücken schließen.

Christian Kühn

Tatsächlich scheint ein Großteil der Bevölkerung nicht auf einen nuklearen Notfall vorbereitet zu sein. „Nur zwei von zehn Menschen wissen, wie sie sich bei einem nuklearen Notfall verhalten müssen“, sagt Christian Kühn, Staatssekretär im Umweltministerium. Die Studie, die zum zweiten Mal nach 2019 durchgeführt wurde, sei daher ein Auftrag für die Bundesregierung, so der Grünen-Politiker. „Wo Wissen fehlt, müssen wir die Lücken schließen“, sagt Kühn.

Die Mehrheit hält Deutschland für unvorbereitet

Doch bei der Vermittlung von Wissen scheinen vor allem die staatlichen Stellen Nachholbedarf zu haben. 75 Prozent der Befragten halten Deutschland nicht auf einen nuklearen Unfall vorbereitet, nur 13 Prozent der Befragten gaben an, sich im Notfall bei öffentlichen Stellen, wie Kommunen, dem Umweltministerium oder dem Amt für Strahlenschutz informieren zu wollen. „Das ist ein klarer Auftrag an Bund, Länder und Kommunen, die eigenen Informationsangebote weiter zu verbessern“, mahnte Paulini.

Dafür scheint die Ampel-Koalition jedoch noch keine konkreten Vorhaben geplant zu haben. Veranstaltungen und die Kommunikation über Social Media und online werde man anpassen, sagte Kühn lediglich. „Es wird nicht eine einmalige Aktion sein“, es handle sich um eine Daueraufgabe, sagte der Staatssekretär.

Grünen-Politiker Christian Kühn sieht Verbesserungspotenzial bei der Kommunikation im Krisenfall.

© dpa / Bernd von Jutrczenka

Meist sind es sehr grundlegende Fragen, die die Bevölkerung umtreiben. Zu Kriegsbeginn hätten viele Menschen in Deutschland wissen wollen, ob sie Jodtabletten einnehmen sollten, berichtete Inge Pauline. 190 Millionen Jodtabletten seien staatlich besorgt und gelagert worden. Diese würden aber erst im Fall eines Atomunfalls von den Behörden verteilt. „Jodtabletten sollten nur dann eingenommen werden, wenn radioaktives Jod zu befürchten ist“, sagte die Präsidentin des Amts für Strahlenschutz.

Eine weitere Empfehlung sprach Paulini für den Fall eines radiologischen Notfalls aus: „Wenn tatsächlich eine radioaktive Wolke auftreten sollte (...) ist es wichtig, dann drinzubleiben. Türen und Fenster abschließen, um die Wahrscheinlichkeit Radiokativität einzuatmen, zu reduzieren“, sagt Paulini.

Besonders wichtig sei jedoch die Krisenkommunikation zwischen staatlichen Stellen und Bevölkerung. „Es geht darum, sich erst zu informieren und dann zu handeln“, sagte Paulini. Das Bundesamt für Strahlenschutz habe dabei die Erstfaktenlage. Mehr als 1700 Messstellen gibt es in Deutschland, auch auf die Anlagen in der Ukraine habe man Zugriff, so Paulini. Auch hier ist die Belastung für ihre Kollegen gestiegen: „Seit dem 24. Februar gibt es eine Beobachtung der Lage rund um die Uhr.“

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