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Wie war ich? Sigmar Gabriel zwischen Angela Merkel und Frank Walter Steinmeier.

© dpa

Gabriels Regierungserklärung: Roter Vizekanzler lobt die Grünen

SPD-Chef und Vizekanzler der schwarz-roten Koalition, Sigmar Gabriel, hat am Donnerstag großen Spaß im Bundestag. Er lobt bei der Energiewende die Grünen, attackiert die Linke und verblüfft den CSU-Verkehrsminister.

Sigmar Gabriel schätzt die große Bühne. Das merkt man seiner Rede zur Wirtschafts- und Energiepolitik der Bundesregierung an. Während die Kanzlerin am Vortag merkelig-unaufgeregt ihre Regierungserklärung durchgehalten und höchstens mal eine Pause gemacht hat, wenn sich die oppositionellen Zwischenrufer gar nicht beruhigen wollten, schöpft der Vizekanzler beim Auftritt vor dem Bundestag aus dem großen Fundus des Redenhalters.

Wie verkauft der SPD-Chef und neue Wirtschaftsminister die schwarz-rote Energiewende - das war die große Frage am Donnerstag, Tag zwei der Aussprache zur Regierungserklärung. Gabriel weiß das auch und spricht deshalb erst einmal über etwas anderes. Dabei hat er sich offensichtlich Gedanken gemacht, wen er heute besonders hervorheben und wen er in den Senkel stellen möchte.

Regierungsbank-Neuling Alexander Dobrindt schaut sehr überrascht und leicht verunsichert, als ihn Gabriel gleich mehrfach namentlich erwähnt. Einmal beim gönnerhaft-vergifteten Zugeständnis, es sei in Ordnung, dass der CSU-Verkehrsminister fünf Milliarden Euro mehr bekomme zur Sanierung der deutschen Infrastruktur. Verbunden mit dem Hinweis, dass in Deutschland die Investitionsquote viel zu hoch sei, und es mehr private Investitionen brauche.

Und ein zweites Mal, als es um die digitale Agenda der Bundesregierung geht: Da müssten das Wirtschafts- und das Infrastrukturministerium ganz eng zusammenarbeiten. "Da sollten wir den Kollegen Dobrindt unterstützen", sagt ein väterlicher Gabriel, worauf im Plenum ein Geraune und Ohoho-Rufen anhebt. "Ja können Sie das nicht verstehen?", fragt der Wirtschaftsminister unschuldig, nachdem er die kabinettsinterne Rangordnung öffentlich demonstriert hat.

Eine richtige Breitseite hat Gabriel für die Kollegen von der Linken vorbereitet. Deren Fraktionschef Gregor Gysi hatte tags zuvor höchst verschnupft auf Kritik an Sahra Wagenknecht reagiert. Die frühere EU-Parlamentarierin wiederum hatte sich ziemlich kritisch gegenüber der Europäischen Union geäußert. Jetzt sagt Gabriel mit Bezug auf ein Tagesspiegel-Interview: Wenn Wagenknecht sage, "die EU ist ein Hebel zur Zerstörung der Demokratie", dann "hat das mit Links nichts zu tun, dann ist das Rechtsaußen". Und legt im sich anschließenden Wortgeplänkel nach, es sei kein Zufall, dass Wagenknecht der AfD vorwerfe, sich bei der Politik der Linken zu bedienen. Der Vorwurf sitzt. Da bringt Gabriel auch nicht die Zwischenfrage des Linken-Politikers Jan van Aaken aus der Ruhe. Van Aaken will wissen, warum er aus Gabriels Ministerium nicht mehr die Zahlen zu Waffenexporten bekommt, die ihm unter Philipp Rölser von der FDP anstandslos weitergegeben wurden. Gabriel nutzt auch diese Intervention zur Eigenwerbung und verspricht anschließend Aufklärung.

Wirkliches Lob gibt es für die Grünen

Wirklich umwerben wird Gabriel dann nicht den Koalitionspartner, sondern die Grünen. Die hätten sich bei der "ökologischen Erneuerung der Industriegesellschaft große Verdienste erworben", sagt er. Das kommt nicht von ungefähr, denn die grünen Länderminister braucht Gabriel dringend im Bundesrat, um noch vor der Sommerpause eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durchzubekommen. Ähnlich wie die Kanzlerin am Mittwoch sieht Gabriel bei der Energiewende "nach wie vor das Potenzial zu großem Erfolg". Jedoch sieht der sozialdemokratische Wirtschaftsminister das "Risiko großer Deindustrialisierung, wenn wir die Kosten nicht reduzieren".

Gabriels Pläne, die gerade vom Kabinett in einem Eckpunkte-Papier verabschiedet worden sind, sehen vor, die Förderung erneuerbarer Energien zu kürzen und auch deren Ausbautempo zu verringern. Dabei geht es besonders um Windstrom an Land und um die Nutzung von Biomasse. Strittig sind auch so genannte Kapazitätsmärkte, bei denen das Bereitstellen von Energie gefördert würde, sowie die Ausnahmetatbestände für die Industrie. Das stößt vor allem bei den Grünen auf großen Widerstand.

Die ärgern sich außerdem darüber, dass energieintensive Industriezweige weiter von der EEG-Umlage entlastet werden sollen, welche aber der normale Endverbraucher zahlen muss. Und die dazu führt, dass es in Deutschland mit die höchsten Strompreise gibt. Im Bundestag sagt Gabriel jetzt, er werde niemandem sinkende Strompreise versprechen, "aber wir können die Kostendynamik drastisch brechen". Die Förderung der Erneuerbaren Energien sei richtig, aber die finanzielle Belastung eben sehr hoch. Ein Vorbild in Europa könne die Energiewende aber nur sein, "wenn wir die Kosten runterkriegen". Das sei dann auch im Sinne des Klimaschutzes.

Und dann dankt der Wirtschaftsminister den Grünen in Bund und Ländern explizit für "ihre Anregungen und Kritik" an seinen Plänen. "Ich empfinde sie als konstruktiv, und ich will mich konstruktiv damit auseinandersetzen", kündigt Gabriel an. Man stimme in vielen Punkten überein, "ich glaube, wir haben eine gute Basis für eine Diskussion". Ob das so ist, wird sich noch am Donnerstagnachmittag zeigen. Dann trifft sich der Wirtschaftsminister mit seinen Länderkollegen, um über die Energiewende zu sprechen.

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