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Politik: Rüttgers spart – an der Mitbestimmung

In der Verwaltung von NRW sollen 10 000 Stellen abgebaut werden – Personalräte fühlen sich übergangen

Der Personalratsvorsitzende in der Düsseldorfer Staatskanzlei hat lange geschwiegen. Obwohl Peter Messalla seit dem Sommer heftig zweifelt, ob bei Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) politischer Anspruch und Wirklichkeit zusammenpassen, hat er sich öffentlich bisher zurückgehalten. Immer wieder hat er intern das Gespräch mit Rüttgers gesucht – vergeblich. Selbst als Ende Oktober die Vorschläge des Kabinetts zum Abbau von mehr als 10 000 Stellen in der Landesverwaltung bekannt wurden, hielt sich Messalla zurück. Als er jetzt aber las, wie der CDU-Abgeordnete Willi Zylajew die Bürokratie durchforsten wollte und die Personalräte in einem Atemzug mit den Vorgängen bei VW nannte, hielt er nicht mehr still. Messalla schrieb Rüttgers einen Brief und beklagte sich über dessen mitbestimmungsfeindlichen Kurs.

Zur Begründung für die geplanten Stellenstreichungen in der Landesverwaltung verweisen Rüttgers und sein Innenminister Ingo Wolf von der FDP auf Auswüchse bei der Mitsprache. Sie zitieren etwa publikumswirksam Beispiele, in denen Personalräte die Einführung von Computern verhindert hätten. „Das ist gelogen“, hält Messalla dagegen und zählt Punkt für Punkt die Fälle auf, in denen es den Mitarbeitervertretern zu verdanken sei, dass der Fortschritt am öffentlichen Dienst nicht vorbeiläuft. „In der Finanzverwaltung haben wir Tempo gemacht, und bei der Polizei wollen wir endlich den Digitalfunk, aber der Innenminister schafft das nicht“, argumentiert Messalla. Dass die Personalräte pauschal Versetzungen verhindert hätten, bestreitet der Personalrat energisch: „Ganz im Gegenteil. Wir vermitteln in aller Regel, und hinterher gibt es weniger Prozesse.“

Dass Rüttgers und Wolf jetzt zum Beispiel die Zahl der Personalräte unter den rund 160 000 Lehrern des Landes von 500 auf rund 150 reduzieren wollen, um auf diese Weise den Unterrichtsausfall zu bekämpfen, hält auch der DGB-Vorsitzende Guntram Schneider für nicht hinnehmbar: „Dann wird Mitbestimmung eine Frage der Kassenlage.“ Dieser Hinweis von Schneider ist für Rüttgers besonders bedrohlich. Der DGB-Chef hatte den neuen Ministerpräsidenten ohne Vorbehalte als Gesprächspartner akzeptiert und war – zum Leidwesen einiger Parteifreunde in der SPD – eher freundlich mit dem CDU-Politiker umgegangen, zumal sich der neue Regierungschef gerne auf den Vater der Mitbestimmung, auf den ersten christdemokratischen Ministerpräsidenten Karl Arnold, beruft.

Doch jetzt verändert auch Schneider die Tonlage, weil er spürt, dass Rüttgers persönliche Zusagen nicht einhält: „Der hatte versprochen, mit uns vor den Änderungen zu reden, das hat nicht stattgefunden.“ Selbst die Christdemokraten im DGB machen inzwischen gegen Rüttgers mobil. Elke Harnack, Stellvertreterin von Schneider und Mitglied der CDU-Arbeitnehmervereinigung, verdreht inzwischen die Augen, wenn von Rüttgers die Rede ist. „Wir lassen nicht zu, dass Mitarbeiter in den Verwaltungen nach Gutsherrenart behandelt werden“, sagt sie. Besonders verärgert ist die CDU-Frau über die Pläne von Rüttgers, die angeblich überflüssigen gut 10 000 Stellen erst in einem so genannten Personaleinsatzmanagement zusammenzufassen, um die Betroffenen anschließend schneller zu versetzen. „Für den Abbau wird erst einmal eine neue Landesoberbehörde mit 180 Stellen und einem Salär von zehn Millionen Euro eingerichtet“, beklagt sich Personalrat Messalla, der auch bei diesem Punkt darauf hinweist, dass niemand mit ihm darüber gesprochen hat, wie man die Verfahren gemeinsam mit den Beteiligten beschleunigen kann.

Am Wochenende wollen die Gewerkschaften Rüttgers bei seinem Neujahrsempfang daran erinnern, dass er noch im Sommer viel von Solidarität und sozialer Verantwortung geredet hat. Besonders optimistisch, dass er seinen Kurs danach ändern würde, ist Guntram Schneider aber nicht: Rüttgers einstige Selbststilisierung als Arbeiterführer „war eine publizistische Größe“.

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