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Historie: Spanische Pässe für die Enkel der Bürgerkriegsflüchtlinge

„Die Fabrik der Spanier“, nennen die Menschen neuerdings das Konsulat Spaniens in der kubanischen Hauptstadt Havanna. Denn in der spanischen Vertretung liegt die Auswanderungshoffnung für zehntausende Kubaner.

Spanien hat den Nachfahren der Flüchtlinge, die sich während des spanischen Bürgerkrieges (1936–1939) und der nachfolgenden Franco-Diktatur (bis 1975) ins Ausland retteten, die Hand ausgestreckt – und die Enkel der Exilanten eingeladen, als spanische Staatsbürger wieder nach Hause zu kommen. Eine Geste der Versöhnung des spanischen Regierungschefs, des Sozialdemokraten Jose Luis Zapatero, 70 Jahre nach dem Bürgerkrieg.

Die dreijährige Schlacht zwischen Anhängern der damaligen linken Republikregierung und des putschenden rechtsgerichteten Generals Francisco Franco ging am 1. April 1939 zu Ende. „Am heutigen Tag, mit einer entwaffneten Armee der Roten, haben die nationalen Truppen ihre letzten militärischen Ziele erreicht“, verkündete Franco am späten Abend. Weiße Fahnen wehten über der Hauptstadt Madrid, wo sich linke Widerstandsgruppen bis zuletzt verschanzt hatten.

Allein in Kuba leben Schätzungen zufolge etwa 200.000 Nachfahren von spanischen Bürgerkriegsflüchtlingen, die Dank des „Enkelgesetzes“ einen Pass des Königreichs Spaniens beantragen können. In ganz Lateinamerika sind es Schätzungen zufolge mehr als eine Million Menschen. Lange Schlangen vor dem Konsulat in Havanna zeugen davon, dass auf Spanien eine Immigrationswelle der ausländischen „Bürgerkriegsenkel“ zukommt. „Hoch lebe Spanien“, rufen die Menschen, die als Kubaner das Konsulat betreten und als Spanier herauskommen. Freudestrahlend strecken sie ihre frisch gedruckten spanischen Dokumente in die Höhe.

In anderen lateinamerikanischen Staaten, etwa in Argentinien, Mexiko und Venezuela, sieht es ähnlich aus. Rund 650 000 Republikanhänger flüchteten während und nach dem Bürgerkrieg aus Spanien. Sie versuchten, dem Gemetzel der rechten Franco-Schwadronen zu entkommen, die politisch Andersdenkende an die Wand stellten, einkerkerten oder in Arbeitslager schickten.

Im spanischen Bürgerkrieg sollen bis zu eine halbe Million Menschen gefallen sein. Hinzu kommen etwa 150 000 Republikaner, die der politischen Verfolgung durch Francos Schergen während und nach dem Bürgerkrieg zum Opfer fielen. Auch etwa 60 000 Franco-Anhänger wurden während des Krieges von linken Republikanermilizen hingerichtet – darunter tausende Nonnen und Geistliche.

Franco erhielt im Bürgerkrieg von Adolf Hitler entscheidende Unterstützung. Die Wehrmacht griff mit Flugzeugen und 5000 Soldaten ein. Zum wohl dunkelsten Kapitel der deutschen Franco-Hilfe gehört der Luftangriff auf die nordspanisch-baskische Kleinstadt Guernica, die am 26. April 1937 bombardiert wurde. Der Stabschef der Legion, Oberst Wolfram von Richthofen, notierte damals in sein Tagebuch: „Einfach toll – Guernica, Stadt mit 5000 Einwohnern, wurde heute buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht.“

Ralph Schulze[Madrid]

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