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Bei 12,41 Euro liegt der Mindestlohn momentan.

© dpa/Jan Woitas

Streit über Erhöhung des Mindestlohns: „Natürlich sind im nächsten Jahr 15 Euro drin“

SPD und Grüne fordern zum Tag der Arbeit eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns. Die FDP sieht die Unabhängigkeit des zuständigen Gremiums gefährdet.

Unmittelbar vor dem Tag der Arbeit streitet sich die Ampel-Parteien über eine mögliche weitere Erhöhung des Mindestlohns. Geht es nach SPD und Grünen soll der Mindestlohn, der momentan bei 12,41 Euro die Stunde liegt, deutlich erhöht werden. Die geplante Erhöhung zum Jahreswechsel auf dann 12,82 Euro reicht den beiden Parteien nicht aus.

„Wir schlagen vor, dass die Untergrenze für den Mindestlohn wie von der EU vorgeschlagen bei 60 Prozent des Medianlohns liegt. Das hieße für 2024 über 14 Euro Mindestlohn, 2025 wären es knapp 15 Euro“, sagte etwa Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ähnlich äußert sich zuvor bereits Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang.

Auch die beiden SPD-Vorsitzenden, Lars Klingbeil und Saskia Esken, forderten einen „deutlich höheren“ Mindestlohn. Esken machte sich zudem für eine Reform der Mindestlohnkommission stark. Entscheidungen sollten dort nur noch im Konsens zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite getroffen werden. Im vergangenen Jahr war die Gewerkschaftsseite überstimmt worden.

Ich würde mir wünschen, dass die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission nicht länger angezweifelt wird.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr kritisiert die Forderungen von SPD und Grünen.

Kritik an dem Vorstoß kommt vom Koalitionspartner: „Über den Mindestlohn entscheiden aus guten Gründen nicht Politiker, sondern Experten und Wissenschaftler. Ich würde mir wünschen, dass die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission nicht länger angezweifelt wird“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Bundestag, Christian Dürr, dem Tagesspiegel.

Dürr hält die Entscheidungsfindung innerhalb des Expertengremiums für ein bewährtes Verfahren. Von den Vorschlägen von SPD und Grünen hält der FDP-Politiker nichts: „Ich befürchte, dass die Vorschläge, über die in diesen Tagen gesprochen wird, zu einer Lähmung der Kommission führen könnten. Damit wäre niemandem geholfen, ich sehe daher keinen Reformbedarf.“

Innerhalb der Mindeslohnkommission sehen das jedoch nicht alle Vertreter so: „Wir wollen einen armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn die europäische Mindestlohnrichtlinie vorsieht, die bis November dieses Jahres von Deutschland umzusetzen ist“, sagte Stefan Körzell, Vorstandmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund und Mitglied der Mindestlohnkommission.

Er hält eine Erhöhung für machbar: „Natürlich sind im nächsten Jahr 15 Euro drin, weil die Entwicklung ja weitergeht und die Gewerkschaften auch in diesem Jahr gute Tarifabschlüsse hinlegen werden“, sagte er dem Tagesspiegel. Körzell schließt eine Reform des Gremiums dafür nicht aus: „Wenn es in der Mindestlohnkommission nicht im Konsens gelingt, der europäischen Richtlinie zu entsprechen, dann braucht sich niemand zu wundern, wenn der Gesetzgeber wieder einschreiten muss.“

Wenn es in der Mindestlohnkommission nicht im Konsens gelingt, der europäischen Richtlinie zu entsprechen, dann braucht sich niemand zu wundern, wenn der Gesetzgeber wieder einschreiten muss.

Stefan Körzell, Vorstandmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund und Mitglied der Mindestlohnkommission. 

Momentan verdienen in Deutschland noch immer mehr als acht Millionen Arbeitnehmende weniger als 14 Euro pro Stunde. Das geht aus einer Antwort des Arbeitsministeriums auf eine aktuelle Anfrage der Linken-Gruppe im Deutschen Bundestag hervor.

Arbeitsminister Hubertus Heil warnt vor Sozialkürzungen.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte deshalb zum 1. Mai vor Sozialkürzungen. „Gerade zum Tag der Arbeit kann man nicht genug betonen: Ich lasse es nicht zu, dass Arbeitnehmerrechte rasiert und der Sozialstaat geschleift wird!“, sagte Heil dem Tagesspiegel.

Heil bekräftigte sein Anliegen, die Tarifpartnerschaft auszuweiten. „Als Aufgabe bleibt, die Tarifpartnerschaft in Deutschland weiter zu stärken“, sagte er. Wo es Tarifverträge gebe, seien „Arbeitsbedingungen und Einkommen im Durchschnitt besser“. Deshalb kämpfe er für ein Bundestariftreuegesetz.

Der Arbeitsmarkt sei robust durch die Krise gekommen, sagte Heil und warnte vor Schwarzmalerei: „Wir brauchen einen realistischen Blick, aber dürfen das Land nicht kaputtreden. Noch nie waren so viele Menschen in Beschäftigung wie heute, wir haben die niedrigste Inflation seit drei Jahren, die Lohnsteigerungen lagen 2023 deutlich über 4 Prozent.“ 

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