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© dpa

Ratspräsidentschaft: Tschechien sieht sich gewappnet für Führungsrolle in Europa

Der tschechische Ministerpräsident Topolánek stellt sein Programm für Ratspräsidentschaft vor. Doch die schwere Regierungskrise in Prag hält an und überschattet den außenpolitischen Fokus.

Gleich zu Beginn der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft rückt die Krisendiplomatie in den Mittelpunkt der politischen Agenda. Der Konflikt um den Gazastreifen und der aufkeimende Gasstreit mit Russland haben die ursprünglichen Prioritäten der Prager Regierung in den Hintergrund gedrängt. "Europa ohne Barrieren" ist das Motto des halbjährigen EU-Vorsitzes, den die Tschechen seit wenigen Tagen turnusgemäß inne haben. "Europa ohne Barrieren kann aber nicht ein Europa ohne Regeln bedeuten", sagte der Prager Premierminister Mirek Topolánek bei der Vorstellung seiner Prioritäten als EU-Verhandlungsführer.

Unter dem Schlagwort der "Drei E's" haben die Tschechen ihre großen Vorhaben plakativ zusammengefasst: Neben der europäischen Außenpolitik zählen die Energiesicherheit und die "Ekonomika", also die Wirtschaftspolitik, zu den offiziellen Prioritäten.

Besonders die Abstimmung eines gemeinsamen Vorgehens gegen die Auswirkungen der Finanzkrise gilt dabei als heikles Projekt, bei dem unterschiedlichste Positionen in Einklang gebracht werden müssen. "Nur ein Europa, das voll und ganz sein kulturelles, menschliches und wirtschaftliches Potenzial ausnutzt, kann in einer solchen Krise bestehen", betonte Topolánek in Prag.

Auch das Thema der Energiesicherheit, das schon lange auf der tschechischen Prioritätenliste steht, gewinnt durch den aktuellen Streit um die russischen Gaslieferungen an politischer Brisanz. Die Verhandlungen mit Moskau und Kiew, die jetzt wegen des aktuellen Lieferstopps in aller Eile begonnen wurden, sollen eine erste Grundlage bilden.

Regierungskrise in Tschechien hält an

Auch im Nahen Osten wollen die Tschechen ihre neu gewonnene Führungsrolle innerhalb der Europäischen Union unter Beweis stellen. Unter Führung des Prager Außenministers Karel Schwarzenberg traf eine hochrangige EU-Delegation mit den Spitzen der beteiligten Staaten zusammen. Der Vorschlag eines befristeten Waffenstillstands stieß allerdings vor Ort auf Ablehnung - und zugleich wurden Zweifel darüber laut, ob die Tschechen mit ihrer geringen weltpolitischen Erfahrung geeignete Vermittler seien.

Dass der französische Präsident Sarkozy beinahe zeitgleich in der Region unterwegs war, um zu vermitteln, gilt unter Beobachtern als Indiz für einen Führungsstreit. Schon kurz nach Ausbruch der Auseinandersetzung um den Gazastreifen sorgten die Tschechen für Verwirrung, indem sie sich eindeutig auf die Seite Israels schlugen. Der Prager Regierungssprecher sagte, es handele sich auf Seiten Israels um eine "defensive Politik" - eine ungewöhnlich deutliche Äußerung, von der sich die Regierung wenig später unter internationalem Druck distanzieren musste.

Überschattet werden diese außenpolitischen Themen von der anhaltenden Regierungskrise in Tschechien. Gerade erst ist Premierminister Topolánek von der bürgerlich-demokratischen Partei ODS mit seinem Versuch gescheitert, die Regierungskoalition umzubilden. Ursprünglich wollte Topolanek mit dem Austausch eines umstrittenen Ministers den innenpolitischen Druck auf seine Regierung verringern. Wegen der denkbar knappen Mehrheitsverhältnisse im Prager Abgeordnetenhaus stand Topoláneks Koalition bereits mehrmals kurz vor dem Zerbrechen.

Solche innenpolitischen Schwierigkeiten können zu einem Problem für die gesamte Union werden. Angesichts der zahlreichen bevorstehenden Aufgaben auf europäischer Ebene gilt ein starkes Mandat des offiziellen Verhandlungsführers Topolánek als unabdingbare Voraussetzung für diplomatische Erfolge.

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