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Mitchell

© dpa

Nahost: US-Sondergesandter Mitchell beginnt riskante Krisenmission

Der Nahe Osten ist jene Region in der Welt, die den US-Präsidenten wie keine andere die Grenzen der Macht zeigt. Jedes Staatsoberhaupt der letzten 50 Jahre ist hier gescheitert. Obama schickt nun seinen Sondergesandten Mitchell nach Israel, um einen erneuten Anlauf zu wagen.

Es kann als Nachweis von Mut gewertet werden, dass sich Barack Obama auf die Gefahr des Scheiterns hin schon in seinen ersten Amtstagen in den Konflikt einschaltet. Sein Gesandter George Mitchell wird am Mittwoch in Israel und bei den Palästinensern erwartet. Empfangen werden ihn dort politischer Stillstand und Ratlosigkeit. Denn Mitchell besucht eine Region in Aufruhr.

Im Gazastreifen türmen sich nach den israelischen Luftangriffen die Trümmer. In Israel tobt ein Wahlkampf, der im Februar eine rechtsgerichtete Hardliner-Koalition unter Benjamin Netanjahu an die Macht bringen könnte. Obama geht ein Risiko ein: Sein Prestige nähme Schaden, sollte seine Initiative in der langen Reihe gescheiterter Friedensversuche enden. Denn ungeachtet der intensiven Krisendiplomatie der vergangenen Jahre haben sich Israel und die Palästinenser einer Friedensregelung nicht genähert, sondern sich von ihr entfernt.

Schließt sich das Fenster für Zwei-Staaten-Lösung

Der langjährige Nahost-Beobachter Thomas Friedman sieht den Dauer-Konflikt vor einer Weggabelung. "Wir nähern uns gefährlich dem Punkt, an dem sich das Fenster für eine Zwei-Staaten-Lösung schließt", urteilt der angesehene Kolumnist der "New York Times". Friedman sieht derzeit zwei widerstrebende Kräfte am Werk, zwischen denen kein Auskommen absehbar sei: Im Gazastreifen herrsche die radikalislamische Hamas, die keinen Frieden mit Israel wolle, und im Westjordanland behaupte sich die jüdische Siedlerbewegung, die kein Land an einen palästinensischen Staat abgeben wolle.

Zwischen diesen beiden Polen reiben sich die Friedenshoffnungen auf. Obama und sein Spitzenvermittler Mitchell stehen vor größeren Problemen als alle ihre Vorgänger, müssen sie doch nicht nur zwischen zwei, sondern gleich zwischen drei zerstrittenen Seiten vermitteln. Die Palästinenser haben sich in eine Hamas-Bastion im Gazastreifen und einen Fatah-Machtbereich im Westjordanland gespalten. Zunächst müssten die Palästinenser einen Frieden untereinander finden, ehe es Frieden mit Israel geben kann.

Scheidepunkt der Geschichte

Obamas Initiative zeugt von der Erkenntnis, dass es im Nahost-Konflikt ohne die USA nicht geht. Dies ist die Lehre aus den acht Regierungsjahren seines Vorgängers George W. Bush, der sich zunächst bewusst zurückhielt. Keinerlei Bewegung hatte es in den Konfliktfragen gegeben: Grenzverlauf, Status von Jerusalem, Rückkehrrecht für geflohene Palästinenser. Nur den USA wird zugetraut, Israel und die Palästinenser zu einem Frieden zu drängen, zu dem sie aus eigenem Antrieb nicht fähig sind.

Der Nahost-Experte David Miller vom Woodrow-Wilson-Institut in Washington glaubt, dass Bushs Vermächtnis den Neuanfang für Obama sogar erschweren wird. Obama habe sein Amt angetreten "vor dem Hintergrund unglaublicher Bitterkeit in der arabischen Welt gegenüber Israel und damit auch gegenüber den USA", sagt Miller. Die Araber unterstellten den USA unter Bush klare einseitige Parteinahme für Israel. "Obama erbt die Politik der Regierung Bush, ob er das will oder nicht", sagt Miller.

Schon zwei Tage nach seinem Amtseintritt setzte Obama ein Zeichen mit der Zusage, sich "aktiv und aggressiv für einen dauerhaften Frieden" einzusetzen. Die Zeit dafür wird freilich knapp, glaubt Kolumnist Friedman: "Wenn die Hamas Raketen mit immer größerer Reichweite erhält und einsetzt, wird es undenkbar, dass die israelische Regierung einen unabhängigen palästinensischen Staat toleriert." Obama brauche Erfolge, und zwar schnell. "Wir sind an einem Scheidepunkt der Geschichte", resümiert Friedman.

Peter Wütherich[AFP]

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