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Politik: Vorsicht, Alkohol

Die EU-Kommission erwägt Warnhinweise auf Bier- und Weinflaschen – und Europapolitiker laufen Sturm

Berlin - In Bayern und Sachsen sind die Europaminister längst auf den Barrikaden. Emilia Müller (CSU) und Hermann Winkler (CDU) stemmen sich vehement gegen angebliche Pläne der EU-Kommission für abschreckende Warnhinweise auf Bier- und Weinflaschen. Und der Deutsche Brauerbund (DBB) sowieso. Die EU- Kommission behandle den Verbraucher „wie einen Konsumtrottel, der vor seinen eigenen Kauf- und Konsumentscheidungen geschützt werden muss“, wetterte DBB-Hauptgeschäftsführer Peter Hahn am Donnerstag in Berlin.

Die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer nennt das präventive „Säbelrasseln der Bierindustrie“ unerträglich. Schließlich ist der endgültige Inhalt der EU-Alkoholstrategie noch gar nicht bekannt. Im September wolle Verbraucherschutzkommissar Markos Kyprianou ein Konzept vorlegen, das die Verpflichtung zu Warnhinweisen enthalten könnte, hieß es lediglich unter Berufung auf ein internes Kommissionspapier. Grundlage sei eine Studie des englischen „Institute for Alcohol Studies“, die dies unter anderem empfiehlt. Beschrieben werden sollten auf den Etiketten etwa Gefahren „in Zusammenhang mit dem Lenken von Fahrzeugen bzw. dem Bedienen von Maschinen“ oder gesundheitsschädliche Folgen für Kinder im Mutterleib, so die Autoren Peter Anderson und Ben Baumberg.

Von allgemeinen Warnungen wie auf Zigarettenschachteln – nach dem Muster: Alkohol zerstört ihre Gesundheit – ist nicht die Rede. Gleichwohl fürchten Politiker wie Emilia Müller eine „überzogene und völlig unverhältnismäßige Brandmarkung“ von Getränken auch mit niedrigem Alkoholgehalt. Dazu werde es aber kaum kommen, sagte Karl-Heinz Florenz, Vorsitzender des EU-Ausschusses für Volksgesundheit, dem Tagesspiegel. Der Ministerrat habe auf Gefahren durch Alkohol und Fettleibigkeit hingewiesen und engere Zusammenarbeit der EU-Länder angeregt. „Das ist nicht so zu verstehen, dass jetzt auf alle Bier- und Weinflaschen ein Totenkopf draufkommt.“ Beim Alkohol müsse man „die Kirche im Dorf lassen“, findet der CDU-Politiker.

Man dürfe andere gesundheitsschädliche Produkte nicht mit dem Tabak auf eine Stufe stellen, sagt auch der Unionsgruppenvize im EU-Parlament, Peter Liese (CDU). So sei jede Zigarette gleich schädlich, beim Alkohol aber eine moderate Menge überhaupt nicht. Trinken sei nicht mit Rauchen vergleichbar, meint auch Florenz. Eine Schädigung durch „Passivtrinken“ etwa gebe es nicht.

Die Autoren der EU-Studie sehen das anders. Alkoholkonsum sei auch verantwortlich dafür, dass jährlich 60 000 Kinder mit Untergewicht geboren würden, dass fünf bis neun Millionen Kinder in belasteten Familien aufwachsen und dass 10 000 Menschen ihr Leben bei Unfällen lassen müssten – die alkoholisierten Unfallverursacher nicht eingerechnet.

Alkoholkonsum sei „für 7,4 Prozent aller Behinderungen, Beeinträchtigungen durch gesundheitliche Probleme und vorzeitige Todesfälle verantwortlich“, heißt es in der Studie. Die Folgekosten in der EU werden für 2003 auf 125 Milliarden Euro geschätzt. Darin enthalten: 59 Milliarden Euro für Produktivitätsverluste durch Fehlen am Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit und vorzeitigen Tod. Allerdings fordern die Autoren nicht nur Warnhinweise auf den Etiketten. Neben länderübergreifender Forschung, Prävention, Steuererhöhungen, Werbeeinschränkungen und Abgabeverboten für Jugendliche schlagen sie auch eine europaweit geltende Höchstgrenze für Alkohol am Steuer vor: 0,5 Promille im Normalfall und 0,2 Promille für junge Fahrer und Berufsfahrer.

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