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Politik: Ypsilantis Mann für die Bildung

Wiesbaden - Am Revers seines Anzugs leuchtet ein quadratisches Abzeichen in den Farben des Prismas. „Die Farben stehen für klaren Verstand und für das Lernen“, sagt Rainer Domisch.

Wiesbaden - Am Revers seines Anzugs leuchtet ein quadratisches Abzeichen in den Farben des Prismas. „Die Farben stehen für klaren Verstand und für das Lernen“, sagt Rainer Domisch. Das Abzeichen tragen die Mitarbeiter der Entwicklungszentrale für das Bildungssystem des Pisa-Siegers Finnland, in dem Domisch als der einzige finnische Beamte mit deutschem Pass seit mehr als zehn Jahren arbeitet. Der Bildungsexperte aus Helsinki wird nach dem Willen der SPD-Spitzenkandidatin Hessens Kultusminister, wenn sie am 27. Januar nächsten Jahres Ministerpräsident Roland Koch, CDU, in die Opposition schicken sollte.

Bei seinem ersten Auftritt auf dem Bildungskongress der hessischen SPD bekennt sich der gelernte Haupt- und Realschullehrer für Deutsch und Englisch ohne Wenn und Aber zum finnischen Modell der Einheitsschule. Er wirbt für eine neue Lernkultur. „Lehrer sollten ihre Schüler nicht als Flaschen ansehen, die gefüllt werden müssen, sondern als kleine Feuer, die es anzufachen gilt“, sagt Domisch. Der 61-jährige schlanke Mann mit dem weißen Haarschopf spricht unaufgeregt, aber bestimmt. Man hört ihm den Zungenschlag seiner badenwürttembergischen Heimat an.

„Die Einladung“ der SPD-Frontfrau aus Hessen, in ihrem Zukunftsteam für das Amt des Kultusministers zu kandidieren, habe ihn überrascht. Ob er der SPD nahestehe, wird er gefragt. Wichtiger sei doch, ob sie seinen Vorstellungen nahestehe. Auch in Finnland hätten Gymnasiallehrer und Eltern aus Akademikerkreisen in den 60er Jahren Niveauverlust und Nivellierung vorhergesagt, als die „Peruskoulo“, die Gemeinschaftsschule, eingeführt worden sei. Inzwischen wolle niemand mehr zum alten dreigliedrigen Schulsystem zurückkehren, versichert Domisch. Die Kultur des gemeinsamen Lernens aller Kinder, die individuelle Förderung und die späte Differenzierung der Schulformen, nach der neunten Klasse, habe sich nachweislich bewährt; nur etwa 300 Schüler von rund 60 000 Schülerinnen und Schülern eines Jahrgangs scheiterten noch an der Abschlussprüfung. „Die finnischen Schulen haben mit all den Problemen zu tun, mit denen auch die Schulen in Deutschland zu kämpfen haben, sie lösen sie nur anders“, sagt Domisch, der nach dem Willen der SPD in Hessen das Sitzenbleiben und die unfreiwillige Querversetzung in niedrigere Schulzweige abschaffen soll.

Andrea Ypsilanti hofft, dass sich bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode ein Drittel der Schulen in Hessen zu einem „Haus der Bildung“ nach finnischem Vorbild entwickelt hat. Staatlichen Zwang zur Umgestaltung von Schulen soll es keinesfalls geben. Das Interesse von Schulträgern, Eltern, Lehrern und Schülern an der Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems sei aber groß.Christoph Schmidt Lunau

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