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Brandenburg: Ein Mann mit Gesicht

Der Stil von Hamid Karsai / Von Wolfgang Joop

Der Stil von Hamid Karsai / Von Wolfgang Joop Derzeit findet die internationalen Afghanistan-Konferenz in Berlin statt, an der auch der afghanische Präsident Hamid Karsai teilnimmt. Zwar geht es bei der Konferenz um Hilfen für sein Land, doch wie ein armer Bittsteller sieht er nicht aus: Mit seinen farbenfrohen Umhängen und eleganten Kopfbedeckungen macht Hamid Karsai auf der internationalen Bühne stets eine gute Figur. Der Designer Wolfgang Joop über den Stil von Hamid Karsai: Sowohl Frage und Antwort, ob es wichtig oder wie wichtig es sei, dass ein Politiker gut angezogen ist oder eben nicht, ist mir gleichermaßen unwichtig. Spätestens seit der Diskussion, ob der „Brioni-Kanzler“ recht daran tat, kein Konfektionsstück – zum Beispiel von „Boss“ – zu tragen. Erstens gehört die Marke Boss Italienern, zweitens geht es bei Männern, auch Politikern, um Inhalte, nicht um Verpackungen. Um Haltung, nicht um Posen. Nun aber besucht ein besonderes Exemplar Mann und Politiker meine Stadt – und ich bin nicht da! Das bedauere ich. Denn Hamid Karsai besitzt etwas, das nur ganz wenige Männer haben, schon gar nicht – fast nie – Politiker: Aura, jenes Mysterium, das Distanz gebietet und zur Annäherung verführt. Man vermutet: Ob dieser Herr aus Afghanistan nun angezogen ist oder gerade nicht, er würde seine Haltung, seine Würde und natürliche Eleganz in keiner Situation verlieren. Männliche Eleganz im modernen Sinn ist eine Verpflichtung zur eigenen Tradition, zur Gegenwart und zur Zukunft. Ist Eleganz eine zeitgemäße Disziplin, hat es ein echter Kosmopolit wie Karsai leichter als der deutsche Kanzler, der sich auch optisch zum provinziell gefärbten Konsens verpflichtet sieht. Und hat einer die Heimat-Folklore auf seiner Seite, so hat er es, modisch gesehen, immer leichter als einer, der sich in seinem Ausputz bis hin zur Selbstverleugnung so genannter internationaler Kleiderordnung anpassen muss oder will. Die Bayern mit ihrer Tracht haben es auch leichter als die Berliner zum Beispiel. Doch zurück zu unserem Staatsbesuch! Der Mann hat einfach ein Gesicht. Eines, das man gern betrachtet. Vielleicht schon deshalb, weil die Frauen seines Landes dies erst seit kurzem zeigen dürfen. In Hamid Karsais Fall wäre eine Burka eine Katastrophe, als Mitbringsel fürs Bundeskabinett allerdings in vielen Fällen eine Gnade. Der Schnitt dieses Kleidungsstückes eignet sich für jede Figur und jedes Geschlecht. Präsident Karsai ist ein glänzendes Beispiel dafür, dass ein Mann auch dann oder vielleicht gerade dann ein Herr bleibt, selbst wenn er das Kleid seiner Ahnen trägt. Der Autor ist Designer, wohnt in Berlin und hält sich derzeit in Monte Carlo auf.

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