zum Hauptinhalt

Brandenburg: „Erst elektronische Fußfessel, jetzt Ausgangsperre“

Politischer Wirbel um Ausgehverbot für Kinder / Richstein: Keine hilfreiche Lösung zur Bekämpfung der Jugendkriminalität

Politischer Wirbel um Ausgehverbot für Kinder / Richstein: Keine hilfreiche Lösung zur Bekämpfung der Jugendkriminalität Von Thorsten Metzner Potsdam. Das von der bayerischen CSU geforderte Ausgehverbot für Kinder unter 14 Jahren nach 20 Uhr sorgt in Brandenburg für politischen Wirbel. Der Grund: CDU-Innenminister und Landeschef Jörg Schönbohm sowie sein Parteivize Sven Petke haben den Vorstoß des CSU-Generalsekretärs Markus Söder ausdrücklich begrüßt. „Es ist ein interessanter Vorschlag“, so Schönbohm am Montag. Er äußerte sich allerdings skeptisch, ob ein nächtliches Ausgehverbot für Kinder durchgesetzt werden kann. „Ich sehe große Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung.“ Entscheidend sei, dass Eltern an ihre erzieherische Verantwortung erinnert werden müssten. Söder hatte unter anderem gefordert, das Jugendschutzgesetz um einen Passus zu erweitern, wonach Kinder unter 14 Jahren nach 20 Uhr das Haus nur noch in Begleitung Erwachsener verlassen dürften. Der SPD-Koalitionspartner kritisierte Schönbohm und Petke scharf: „So viel Staat gab es nicht einmal in der DDR“, sagte Bildungsminister Steffen Reiche (SPD). „So grast man am dumpfen Rand.“ Man könne nicht eine ganze Altersgruppe von Kindern in Brandenburg wegen vielleicht einhundert Problemfällen bestrafen. Eine nächtliche Ausgangssperre für Jugendliche passe zur elektronischen Fussfessel für Schulschwänzer, für die sich Schönbohm und Petke ebenfalls ausgesprochen hätten, sagte SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness. Es sei ein Niveau, „über das sich jeder Stammtisch erhebt.“ Nach der Logik könne man die „Kriminalität in Brandenburg auf Null senken, wenn man das Ausgehverbot auf Erwachsene ausdehnt.“ Und der Kommentar des SPD-Innenpolitikers Werner-Siegwart Schippel lautete: „Schwachsinn.“ Die pädagogischen Rezepte der Brandenburger CDU erschöpfen sich in Repression, sagte PDS-Oppositionsführer Lothar Bisky. Auf Distanz zu dem CSU-Vorschlag ging auch CDU-Justizministerin Barbara Richstein, zugleich CDU-Vizeparteichefin. „Ich glaube nicht, dass das eine hilfreiche Lösung zur Bekämpfung der Jugendkriminalität ist“, sagte Richstein. Viele Straftaten von Jugendlichen würden zudem „tagsüber verübt.“ Die Justizministerin sprach sich stattdessen für eine Verschärfung des Jugendstrafrechtes aus. Sie verwies auf eine Bundesratsinitiative Brandenburgs, straffällige Jugendliche auch mit gerichtlich zu verhängenden Fahrverboten, also dem Entzug des Führerscheins, zu bestrafen. Außerdem unterstützt Richstein ausdrücklich eine neue Bundesratsinitiative ihres sächsischen CDU-Kollegen Thomas de Maiziere, der die Einführung eines sogenannten Warnschuss-Arrestes für jugendliche Straftäter vorsieht. „Das ist ein probates und sinnvolles Mittel“, so die Ministerin gegenüber den PNN. Bislang können Jugendliche nur zu Haftstrafen ab sechs Monaten verurteilt werden. Der Arrest von maximal vier Wochen soll nach dem Sachsen-Vostoß gegen Jugendliche verhängt werden dürfen, deren Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Bislang spürten solche Jugendliche trotz des Urteils oft keine Sanktionen, erläuterte Richstein. Mit einem solchen Arrest könne ihnen klar gemacht werden, was ihnen drohe, wenn sie gegen Bewährungsauflagen verstießen. „Das kann einen erzieherischen Effekt haben.“ Für andere Wege als Ausgeh-Verbote plädiert auch CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger. Sie unterstütze Forderungen nach Sanktionen gegen Eltern, die ihre Kinder verwahrlosen lassen oder gar misshandeln, sagt Blechinger. Oft werde in solchen Fällen viel zu spät interveniert. So müsse diskutiert werden, in solchen Problemfamilien das Kindergeld von einem Treuhänder verwalten zu lassen, damit es auch beim Kind ankomme. CDU-Vizeparteichef Sven Petke, der am Wochenende noch erklärt hatte, ein Ausgehverbot müsse ernsthaft diskutiert werden, ruderte am Montag zurück: Ihm gehe es nicht um ein staatliches Verbot, sagte Petke. „Ich erwarte von den Eltern, dass sie Kinder nach 20 Uhr nicht mehr auf die Straße lassen.“ Die Fälle Potzlow oder Pascale zeigten, dass man vor Verwahrlosungstendenzen nicht die Augen verschließen dürfe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false