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24.04.2024, Brandenburg, Potsdam: Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident in Brandenburg.

© dpa/Jens Kalaene

Erster Dreikampf : Generaldebatte im Brandenburger Landtag um Bilanz von Kenia und die AfD

Brandenburgs Wahlkampf ist längst eröffnet. Im Landtag trafen die drei Männer aufeinander, die nach dem 22. September Ministerpräsident werden wollen.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat der extrem rechten AfD ein gestörtes Verhältnis zu Demokratie und Verfassung vorgeworfen. „Sie haben kein Problem mit dem Verfassungsschutz! Was Sie haben: ist ein Problem mit unserer Verfassung und dem Grundgesetz!“, sagte Woidke am Mittwoch im Landtag in einer Aktuellen Stunde. Die hatte die AfD beantragt, um kurz vor Ende der Wahlperiode mit der Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen abzurechnen - mit der klar formulierten Stoßrichtung: „Ein Abriss“.

Es ging hart zu Sache, erwartungsgemäß. Brandenburgs Landtag erlebte nicht nur eine Generalprobe aller Spitzenkandidaten der Landtagsparteien für die Landtagswahl, sondern dabei auch schon mal jenen offenen Dreikampf der drei Männer, die erklärtermaßen nach dem 22. September Regierungschef werden wollen. Da war zuerst AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt. Die AfD, als rechtsextremistischer Verdachtsfall unter Beobachtung, ist nach Umfragen stärkste Kraft, will mit ihm die Macht übernehmen.

Prompt attackierte Berndt den langjährigen Regierungschef, der seit 2013 das Amt ausübt und zum dritten Mal antritt, persönlich frontal. Woidke regiere bald so lange wie Erich Honecker, habe die Freiheitsideale von 1989 verraten, jage den Verfassungsschutz auf die AfD-Opposition, sagte Berndt. Woidke habe Brandenburg zur Gewinnerregion des 21. Jahrhunderts machen wollen und sei nun persönlich verantwortlich für Massenmigration, verfehlte Energie-, Wirtschafts- und Bildungspolitik.

Die Lage des Landes und der meisten Brandenburger habe sich unter Woidke verschlechtert, behauptete Berndt. „Es wird niemandem im Land besser gehen, solange dieser Mann Ministerpräsident ist!“ Und der AfD-Abgeordnete Dennis Hohloch kassierte einen Ordnungsruf der Landtagspräsidentin, weil er Brandenburgs Verfassungsschützer als „Schergen“ bezeichnet hatte.

Woidke dankt Linken und Freien Wählern

Woidke konterte so: „Das Land Brandenburg hat sich in den letzten viereinhalb Jahren so gut entwickelt, wie in keinem anderen Zeitraum zuvor. Und das trotz der Einschnitte und Krisen, die 2019 nicht vorhersehbar waren.“ Und zwar nicht allein wegen Tesla, sondern überall im Land. Er verwies darauf, dass Brandenburgs Wirtschaft bereits seit zehn Jahren über dem deutschen Durchschnitt wachse, es einen historischen Höchststand bei den Erwerbstätigen gebe und auf das Bevölkerungswachstum, mit dem Brandenburg gegen alle Schrumpfungsprognosen 2022 als einziges Ost-Land die Bevölkerungszahl von 1990 wieder erreicht habe.

Ausdrücklich dankte Woidke den Linken und den Freien Wählern, der „demokratischen Opposition dieses Hauses“, die zum weiteren Aufbruch der Mark beigetragen hätten. Die AfD habe dagegen „nichts“ getan, deren „Bilanzliste ist leer“, vielmehr habe sie mit ihren Rechtsextremisten-Netzwerken, Falschmeldungen und Verdrehungen die Arbeit zum Wohle des Landes massiv behindert, sei etwa in der Pandemie mit „druiden Wünschelroutengängern und Coronaleugnern durch die Straßen gezogen“, habe versucht, Menschen Angst zu machen.

CDU gegen Schwarzmalerei und Schönfärberei

CDU-Fraktionschef und Woidke-Herausforderer Jan Redmann, der dritte Anwärter, schlug ruhigere, nachdenklicheren Tönen an und grenzte sich so sowohl von der AfD, als auch vom Regierungschef ab. Redmann warnte vor Schwarz-Weiß-Auseinandersetzungen, vor Schwarzmalerei und Schönfärberei: „Mit Blick auf die Stimmung im Land, mit Blick darauf, wie Parlamentarismus und Politik drohen, Vertrauen zu verlieren: Es ist nicht richtig, diese Auseinandersetzung so fortzusetzen.“ Die Kritik der Opposition von AfD und Linken würde glaubwürdiger sein, wenn richtig Gemachtes der Regierung auch anerkannt würde, etwa bei den Wirtschaftsansiedlungen. Michael Stübgen (CDU) etwa sei der erste Innenminister seit Jahrzehnten, in dessen Amtszeit die Polizei aufgestockt worden sei.

CDU fordert mehr Polizeibefugnisse

Redmann bedauerte, dass in der Kenia-Koalition die nötige Novelle des Polizeigesetzes wegen des Vetos der Grünen nicht möglich gewesen sei, obwohl mehr Befugnisse etwa zu Online-Durchsuchungen oder der automatischen Kennzeichenerfassung angesichts der Internetkriminalität längst überfällig seien. Das müsse nun nach der Landtagswahl geschehen.

Linksfraktionschef Sebastian Walter wiederum attestierte der Koalition zwar, nicht „nicht immer alles falsch gemacht“ zu haben. Trotzdem sei es nun einmal Realität, dass die Menschen heute weniger Geld als vor viereinhalb Jahren hätten, dass Kenia die Mietpreisbremse praktisch abgeschafft habe, es in Eberswalde etwa keinen Hautarzt mehr gebe. Mit der AfD und deren Propaganda, mit den angestrebten Massendeportationen werde keins dieser Probleme gelöst, bekomme kein Arbeitnehmer mehr Geld, so Walter und forderte Woidke auf, Probleme anzuerkennen und anzupacken: „Machen Sie Ihren Job!“

Ordnungsruf wegen einer Orange

Für BVB/Freie Wähler warf Chef Péter Vida der Koalition vor, Vertrauen verspielt zu haben. Er forderte eine ausgewogenere Energiepolitik, mehr Straßenbau und Nahverkehr. Auch Vida kassierte einen Ordnungsruf, weil er am Rednerpult mit einer Orange herumwedelte, dem Wahlkampfsymbol der Freien Wähler.

Dagegen hob Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke die Rettungen der bedrohten Krankenhäuser im Land durch das Gesundheitsministerium unter Ursula Nonnemacher hervor. Er erinnerte daran, dass der AfD-Abgeordnete Dennis Hohloch nach einem Faustschlag des damaligen Fraktionschefs Andreas Kalbitz im Krankenhaus lag. Man könne sich an allen Standorten darauf verlassen, gut behandelt zu werden, sagte Raschke in Richtung AfD: „Egal, ob bei einem Milzbandriss oder Desorientierung.“ Angesichts der Schlagzeilen um AfD-Politiker mit Verbindungen nach Russland oder Spionage für China sei klar, sagte Raschke: „Die AfD ist eine Alternative für Diktatoren.“ Hohloch wiederum wies Rechtsextremismusvorwürfe gegen die AfD rundweg zurück: „Es gibt keine Nazis in den Reihen der AfD-Fraktion.“ Das sorgte im Plenum für Gelächter.

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