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In Brandenburgs Kitas herrschen oftmals Defizite.

© picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

Immer noch nicht kindgerecht: Brandenburg fehlen nächstes Jahr 2900 Kita-Plätze

Trotz Ausbaus ist die Personalausstattung in den märkischen Kitas nach wie vor unzureichend, konstatiert die Bertelsmann-Stiftung. 11.500 zusätzliche Fachkräfte werden benötigt.

Brandenburgs Kitas sind beim Platzangebot und dem Personalschlüssel zwar besser geworden, dennoch gibt es weiter erhebliche Defizite bei der Kinderbetreuung. Zu diesem Schluss kommt die Bertelsmann-Stiftung in ihrem aktuellen Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme. Der Studie zufolge werden 86 Prozent der Kitakinder in Brandenburg in Gruppen betreut, deren Personalausstattung nicht kindgerecht ist. „Der Bildungsauftrag für die meisten Kinder kann so nicht umgesetzt werden“, sagt Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung der Bertelsmann-Stiftung.

Zu einem ähnlichen Befund kam im Juni bereits eine Kitastudie des Päritätischen Gesamtverbands. 89 Prozent der märkischen Kitafachkräfte waren bei der Umfrage der Meinung, dass den Bedürfnissen der Kinder mit dem Personalschlüssel nicht entsprochen werden kann - so viele wie in keinem anderen Bundesland.

Bertelsmann stützt diese Einschätzung der Erzieher mit Zahlen. In den Krippengruppen liegt der Personalschlüssel laut der Stiftung Stand März 2021 rechnerisch bei 1 zu 5,1. Das bedeutet, dass eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft für mehr als fünf ganztagsbetreute Kinder verantwortlich ist. Das ist ungünstiger als der Bundeswert von 1 zu 3,9 und verfehlt auch das von der Bertelsmann-Stiftung empfohlene Verhältnis von 1 zu 3. In den Kindergartengruppen ist der Personalschlüssel mit 1 zu 9,6 ebenfalls deutlich schlechter als der Bundeswert von 1 zu 8,4 und als der Wert, den Bertelsmann empfiehlt (1 zu 7,5).

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Das Land hat Verbesserungen zugesagt

Das Land strebt mit dem neuen Doppelhaushalt an, den Betreuungsschlüssel zu verbessern. In der Krippe soll die Erzieher-Kinder-Relation nach Landesangaben derzeit 1 zu 4,65 auf 1 zu 4,25 verbessert werden. 2025 soll das Verhältnis 1 zu 4 angestrebt werden, was noch immer über der von Bertelsmann empfohlenen Relation von einer Fachkraft für drei Krippenkinder liegt.

In Brandenburgs Kitas soll der Betreuungsschlüssel verbessert werden.

© Andreas Klaer

Aber auch bei der Zahl der Kitaplätze hat Brandenburg noch Defizite. „Gemessen am Betreuungsbedarf fehlen im kommenden Jahr voraussichtlich bis zu 2.900 Kitaplätze“, heißt es in der Studie. Der Platzbedarf in Brandenburg unterscheidet sich nach Altersgruppen: So liegt die Quote der betreuten Kinder unter drei Jahren mit 57 Prozent unter dem Betreuungsbedarf von 63 Prozent. Bei den Kindern ab drei Jahren ist die Lücke zwischen der Quote von 95 Prozent und dem Bedarf von 97 Prozent geringer.

Um die notwendigen 2.900 zusätzlichen Plätze zu schaffen, müssten nach Bertelsmann-Berechnung bis 2023 neue Fachkräfte gewonnen werden. Dadurch entstünden zusätzliche Personalkosten von 26,3 Millionen Euro jährlich. Betriebs- und mögliche Baukosten für die neuen Kitaplätze - in Brandenburg sind dafür die Kommunen zuständig - kämen hinzu. „Die Zahlen belegen, dass Brandenburg den bundesgesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung für jedes Kind, dessen Eltern einen Bedarf haben, bis 2023 mit der Einstellung von mehr Personal erfüllen könnte“, konstatiert Bertelsmann.

11.500
zusätzliche Erzieher müssten laut Bertelsmann in Brandenburg eingestellt werden

Aber nur ein Kitaplatz mit einer hohen Qualität könne Kinder in ihrer Bildung und Entwicklung fördern, so Kathrin Bock-Famulla. „Die Landesregierung muss endlich durch gesetzliche Reformen die Voraussetzungen für die Einstellung von mehr Personal in den Kitas schaffen“, fordert die Erziehungswissenschaftlerin. Um Personalschlüssel zu erreichen, die wissenschaftlichen Empfehlungen entsprechen und zugleich genügend Kitaplätze anbieten zu können, müssten 11.500 zusätzliche Fachkräfte eingestellt werden, rechnet die Bertelsmann-Stiftung vor. Dadurch entstünden Kosten von über 550 Millionen Euro jährlich.

Das neue Kita-Qualitätsgesetz sieht vor, dass der Bund 2023 und 2024 jeweils bis zu zwei Milliarden Euro für die frühkindliche Bildung in allen Bundesländern bereitstellt. Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt, dass Brandenburg diese Bundesmittel vor allem für eine bessere Personalausstattung verwendet.

Der bundesweite Fachkräftemangel sei ein doppeltes Problem: Denn zu wenig Personal in der pädagogischen Praxis verschlechtere nicht nur die Qualität der frühkindlichen Bildung, sondern auch die Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte. „Dadurch sinken die Chancen, vorhandene Mitarbeiter:innen im Beruf zu halten, was den Personalmangel weiter verschärft“, heißt es in der Studie. In den Kitas komme es darauf an, kurzfristig die Überlastung des Personals zu reduzieren. Das ließe sich, schlägt die Stiftung vor, zum Beispiel mit zusätzlichen Mitarbeitern in den Bereichen Hauswirtschaft und Verwaltung erreichen.

Außerdem empfiehlt die Bertelsmann-Stiftung, Kitaleitern feste Zeiten für ihre Führungsaufgabe zuzugestehen und von der Betreuung der Kinder freizustellen. Bertelsmann zitiert die Kinder- und Jugendhilfestatistik. Demnach verfügten 2021 in Brandenburg sechs Prozent der insgesamt 1964 Kitas und Horte über keine vertraglich vereinbarte Zeit für Leitungsaufgaben. Daran will das Land auch nichts ändern: „Derzeit gibt es laut Koalitionsvertrag keine konkreten Planungen zur Verbesserung der Leitungsfreistellung“, antwortete das von Britta Ernst (SPD) geführte Bildungsministerium im April auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag. 

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