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Landeshauptstadt: Das neue Potsdam wächst heran

Mit dem Richtfest für Theater und Innenstadtkaufhaus wurden 2004 Marksteine der Stadtentwicklung gesetzt / Für den Alten Markt ist indessen immer noch keine Lösung gefunden worden

Mit dem Richtfest für Theater und Innenstadtkaufhaus wurden 2004 Marksteine der Stadtentwicklung gesetzt / Für den Alten Markt ist indessen immer noch keine Lösung gefunden worden Das Jahr 2004 war ein (richt)festliches Jahr für Potsdam: Mehr als ein Dutzend Mal wurde Gebäuden in der Stadt die Richtkrone aufgesetzt. Dabei kam es am 10. September sogar zu einer tiefen Verbeugung: Uwe Eric Laufenberg, Intendant des Hans Otto Theaters huldigte damit Ministerpräsident Matthias Platzeck, weil der es nach dem „dicken Wilhelm“ als zweiter „Regent“ geschafft habe, der Stadt ein neues Theater zu geben. Der Theaterbau am Tiefen See mit der muschelförmigen Überdachung des Zuschauerraumes verspricht zu einem architektonischen Highlight Potsdams zu werden. Überhaupt hat die Entwicklung des integrierten Kulturstandortes Schiffbauergasse gerade in diesem Jahr eine Eigendynamik erhalten, die manchen überrascht: Das soziokulturelle Zentrum erhielt im Juli einen Förderbescheid in Höhe von 6,5 Millionen Euro. Waschhaus, T-Werk und fabrik werden 2006 endlich in sanierten Gebäuden ihrer künstlerischen Arbeit nachgehen können. Längst angesiedelt hat sich „Oracle“, einer der führenden Anbieter von Unternehmenssoftware. Nur ein paar Schritte weiter wuchs im Laufe des Jahres ein Bau dem Ende entgegen, der ebenfalls Potsdamer Architekturgeschichte schreiben könnte: das VW-Design-Center. Ab dem Frühjahr sollen in dem Gebäude VW-Fahrzeuge und Neuentwicklungen von Bugatti und Skoda ihre Form erhalten. Auf ein Richtfest hat VW verzichtet, dafür wurde an anderen Orten in der Stadt kräftig zum Abschluss der Rohbauarbeiten gefeiert: so u. a. im neuen IHK-Gebäude an der Breiten Straße, am Neubau des St. Josefs Krankenhaus und am neuen Einkaufszentrum „Orion“ im Wohngebiet Am Stern. Zeit wird es, dass sich in dem DDR-Plattenbaugebiet substanziell etwas verändert. Zwar sind viele Gebäude saniert und hat sich auch das Wohnumfeld verbessert, aber viele Bewohner der Neubaublocks hatten in den vergangenen Jahren das Gefühl, dass Stadtentwicklung nur im Norden der Landeshauptstadt stattfindet. Dass das seit Jahren angekündigte und der Weber-Gruppe beinahe schon endverhandelte Freizeitbad jetzt in städtischer Eigenregie auf dem Brauhausberg entstehen soll, wird diesen Eindruck nur verstärken. Doch in diesem Jahr wurden zumindest die Weichen auf Veränderung gestellt: Im November wurde für den „Süden“ ein Beirat aus der Taufe gehoben, der die Entwicklung in diesem Teil der Stadt bis zum Jahre 2010 begleiten will. Hauptprojekte sind der „Campus am Stern“ rund um die Schulen an der Galileistraße und das städtebauliche Zusammenwachsen der Stadtteile Stern, Drewitz, Kirchsteigfeld. So wichtig wie das neue „Orion“ und der „Campus am Stern“ für die Menschen am Stern sind, so sehr wird wohl von allen Potsdamern die Eröffnung des Karstadt-Kaufhauses herbei gesehnt. Beim Richtfest für das Stadtpalais am 6. August bezeichnete Platzeck das Kaufhaus als „herausragendes Ziel der Stadtentwicklung“. Am 9. März kommenden Jahres soll auf 17 000 Quadratmetern ein Mix aus Handel und Dienstleistung öffnen. Doch während die Tage der „Blechbüchse“ langsam gezählt sind, das neue Potsdam weiter wächst, fristet der Standort des unbeliebten Nach-Wende-Theaters ein tristes Dasein. Denn 15 Jahre nach der Wende ist der Alte Markt immer noch eine wüste Baustelle. Immerhin, wird mancher sagen. Schließlich sind bereits Millionen in die Baufeldfreimachung für das Stadtschloss geflossen. Doch der Prozess ist wegen der Kürzung bzw. Streckung von Fördermitteln ins Stocken geraten: Die Sanierung der Nikolaikirche ist gefährdet, die Absenkung des Platzes auf das Niveau des alten Stadtschlosses gefährdet den Zugang zum Kirchenbau, in dem am 3. Oktober kommenden Jahres die zentrale Feier zum Tag der deutschen Einheit stattfinden soll . Ebenfalls ein wichtiges Datum: Am 21. April 2005 soll der 60. Jahrestag des britischen Bombenangriffs auf Potsdam mit der Grundsteinlegung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche begangen werden. Doch daraus dürfte nur ein symbolischer Akt werden, denn mit den Vermietern des Rechenzentrums, das sich an der historischen Stelle befindet, konnte bislang keine Einigung über Abrissmaßnahmen gefunden werden. Zumindest erfolgte Anfang dieses Jahres eine wichtige Weichenstellung: Der „Ruf aus Potsdam“ am 15. Januar 2004 war der symbolische Start für eine weltweite Spendenaktion zum Wiederaufbau der Barockkirche. Damit haben Kirche und Stadt den Wiederaufbau gezwungenermaßen in die eigenen Hände genommen – denn die Übergabe der 6,4 Millionen Euro, die die Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) bis zum Jahresende für den Wiederaufbau gesammelt hat, ist an Bedingungen geknüpft, die die Kirche als Bauherr nicht akzeptieren will. Entgegen den Vorstellungen des erzkonservativen TPG-Chefs Max Klaar will die evangelische Kirche in dem Bau ein Internationales Versöhnungszentrum einrichten. Bilanz für 2004: Das neue Potsdam wächst heran, der Wiederaufbau des historischen Potsdam erweist sich weiter als sehr schwierig. 2005 wird das Jahr des neuen Kaufhauses. Doch das kommende Jahr könnte endlich auch Entscheidungen für die neue alte Mitte bringen: Mit der Grundsteinlegung für die Garnisonkirche könnte der „Ruf aus Potsdam“ endlich weltweit erhört und der Wiederaufbauprozess unumkehrbar gemacht werden. Und Oberbürgermeister Jann Jakobs erwartet im Frühjahr – wie im Koalitionsvertrag von SPD und CDU festgeschrieben – die Entscheidung über den Landtag. Sanierung oder Neubau auf dem Alten Markt, das ist die Frage, von deren Beantwortung eine Initialzündung ausgehen könnte. Doch mit der Entscheidung für einen Landtagsneubau auf dem Alten Markt und mit dem Beginn des Wiederaufbaus der Garnisonkirche steht schon das nächste, seit der Wende unbeantwortete Problem auf der Tagesordnung, an dem sich garantiert heftiger Streit entzünden wird: Wie soll die Innenstadt vom Verkehr entlastet werden? Dabei, das zeigte 2004 auch, hat Oberbürgermeister Jann Jakob schon jetzt genug Probleme am Hals.

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