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Landeshauptstadt: „John Barnett“ an der Schiffbauergasse

Mit dem Umbau eines Lastkahns zum Restaurantschiff erfüllen sich zwei Potsdamer einen Lebenstraum

Mit dem Umbau eines Lastkahns zum Restaurantschiff erfüllen sich zwei Potsdamer einen Lebenstraum Von Erhart Hohenstein Ihren seit Jahren anhaltenden Traum vom schwimmenden Restaurant haben Petra Huse und Clemens Lambrecht erst zur Hälfte wahr gemacht. Die Inhaber des Potsdamer Weinkontors bewirtschaften seit November zusätzlich die von der Weissen Flotte angemietete „Charlottenhof“, die am Kai der Schiffbauergasse festgemacht hat. Das vier Jahrzehnte alte Motorschiff dient den Angestellten des Softwareunternehmens Oracle als Kantine, ist täglich zwischen 11 und 17 Uhr aber auch als Gaststätte öffentlich zugänglich. Das behaglich eingerichtete Schiff, in dessen Gastraum halbrunde Polstersofas einen schönen Blick über den Tiefen See auf Park Babelsberg und seine Bauten ermöglichen, bleibt den beiden Gastronomen aber nur bis zum Frühjahr. Dann wird es von der Weissen Flotte wieder im Saisonverkehr gebraucht. Für den in Rottweil geborenen Schwaben („Der Stadt, wo die bösen Hunde herstammen“, wie er scherzhaft sagt) und die Berlinerin ist der Traum vom Restaurantschiff damit aber keineswegs ausgeträumt – im Gegenteil! In Spandau haben sie das alte Motorgüterschiff „Aviso“ ausfindig gemacht, das seit 1889 seine Fracht getreulich über Havel und Spree schippert, nun aber in den Ruhestand geschickt werden sollte. Petra Huse und Clemens Lambrecht eröffnen ihm eine zweite Karriere, worüber sich niemand mehr freut als der bisherige Eigner. Um als Restaurant zu dienen, muss der Kahn im Wortsinn einschneidende Veränderungen über sich ergehen lassen. Aus dem 65 Meter langen Schiffkörper werden in der Mitte 19 Meter herausgetrennt, denn erst so erreicht er ein Maß, mit dem er vom „integrierten Kultur- und Gewerbestandort Schiffbauergasse“ aus den Blick über das Wasser nicht verstellt. Die neuen Eigner nehmen das hin, obwohl das flache Schiff nur mit dem Kapitänshaus über die Kaimauer hinausragt. Immerhin bleibt ihnen genügend Raum, um auf dem verkürzten Schiff ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Durch das Steuerhäuschen, dem sich eine „Kapitänslounge“ für 20 Personen anschließt, erreicht der Gast an der abgerundeten Theke vorbei das Restaurant mit knapp 100 Plätzen. Es ist in einen Raum, in dem à la carte serviert wird, und einen zweiten für Feiern und Festlichkeiten geteilt. Zum Heck schließen sich Küche, Lager und die anderen Wirtschaftsräume an. Als Fenster wurden Bullaugen und holländische Schiffsfenster ausgewählt. Für diese Aufteilung haben Petra Huse und Clemens Lambrecht den Berliner Schiffsbauingenieur Dr. Klaus Masilge gewonnen, der mit solchen Gestaltungen einen fast legendären Ruf erworben hat. Ausgeführt werden die Arbeiten von der Elbeschiffswerft in Lauenburg. Die beiden aktiven Wassersportler haben von Hamburg bis zum Mittelmeer, vom Feuerschiff bis zum Küstensegler schon zahlreiche Restaurantschiffe besichtigt und in Berlin selbst einen dazu umgebauten Heckradschlepper geführt. Ihrem Restaurant möchten sie maritimem Charakter verleihen, verabscheuen aber „maritimen Kitsch“. Fischattrappen, Plastesegel und nachmodellierte Seeigel wird der Gast bei ihnen nicht finden. Sichtbar machen wollen sie jedoch den Ankerkasten im Bug und Teile der Konstruktion und der Maschinerie. „Wir möchten die Erfahrung vermitteln, dass dieses Schiff ein Arbeitsschiff war“, erklärt Petra Huse. Und wie soll das Restaurant heißen? „John Barnett“. Damit erweisen die beiden dem Standort Schiffbauergasse ihre Reverenz. Der Engländer John Barnett Humphrey hatte 1816 in Spandau das erste preußische Dampfschiff, die „Prinzessin Charlotte von Preußen“, gebaut und war mit seiner Werft ein Jahr später nach Potsdam umgezogen. Hier entstand damals das seinerzeit größte preußische Dampfschiff, die „Blücher“. Im Restaurant wird auf diese geschichtlichen Zusammenhänge hingewiesen, ein Museum soll es aber nicht werden. Mit der von ihm gepflegten Küche, in die er Gerichte seiner badischen Heimat, z.B. Maultaschen, einbringt, hat Clemens Lambrecht im Weinkontor und nun auf der „Charlottenhof“ viel Anklang gefunden. Im neuen Restaurantschiff wird er darauf aufbauen, natürlich nicht mehr zu den jetzigen Kantinenpreisen zwischen 4 und 5 Euro je Gericht. Ausbauen möchte er das maritime Angebot, ohne die „John Barnett“ in ein Fischrestaurant zu verwandeln. Den Fisch wird er von der nahe gelegenen Fischerei an der Burgstraße beziehen. Die Öffnungszeiten werden dann verlängert, lautstarken Schiffertanz wird es allerdings nicht geben. Der städtische Beauftragte für den „integrierten Kultur- und Gewerbestandort Schiffbauergasse“, Martin Schmidt-Roßleben, sieht in dem Restaurantschiff eine Attraktion innerhalb der vielfältigen Gaststättenlandschaft, die er für das Areal anstrebt. Zwischen der Stadt und den Schiffeignern wird dazu ein Vertrag abgeschlossen. Er bildet auch eine Grundlage für die Kreditierung des Vorhabens, denn der Umbau des Lastkahnes kostet eine schöne Stange Geld. Ganz kurzfristig haben sich die lebendige Berlinerin und der eher ruhig wirkende Schwabe zu ihrem anspruchsvollen Vorhaben entschlossen. Aber das muss wohl tun, wer sich einen Traum erfüllen will. Bereits im Sommer soll die „John Barnett“ an die Schiffbauergasse einladen.

Erhart Hohenstein

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