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Jakob Drews auf einer Tanne in Golm: Der Student aus Potsdam verhinderte vorerst die Fällung des Baums.

© Ottmar Winter PNN

Potsdamer Student will in der Klimakrise alles infrage stellen: Warum Jakob Drews auf Bäume klettert

Jakob Drews wollte eigentlich Chirurg werden. Doch wegen des Klimawandels gab es für ihn drängendere Aufgaben. Zum Beispiel, gegen die Baumfällungen in Golm zu protestieren.

Am 11. Mai ist Jakob Drews in Golm auf einen Baum geklettert, der eigentlich gefällt werden sollte. Der Protest einiger Studierender sorgte dafür, dass die vom Studentenwerk Potsdam beauftragte Firma ihre Arbeiten abbrechen musste. Insgesamt 40 Bäume, darunter auch alte Eichen und Buchen, sollen für den Neubau eines Wohnheims mit 420 Plätzen auf dem Campus Golm weichen. „Wir sind nicht gegen das Wohnheim“, sagt Jakob Drews. Mitten in der Klimakrise dürften aber keine Bäume gefällt werden.

Der Protest auf und unter den Bäumen führte Studentenwerk-Geschäftsführer Peter Heiß nach Golm. Er diskutierte mit den Studierenden und einigen Mitarbeitenden der Universität Potsdam über die Fäll- und Baupläne. Dabei offenbarte sich ein grundsätzlicher Konflikt. Jakob Drews und seine Mitstreiter:innen stellen grundsätzlich alles infrage, was aus Gewohnheit schon immer so gemacht wurde.

Vor dem geplanten Wohnheim: Jakob Drews spricht mit dem Geschäftsführer des Studentenwerks Potsdam, Peter Heiß (l.).
Vor dem geplanten Wohnheim: Jakob Drews spricht mit dem Geschäftsführer des Studentenwerks Potsdam, Peter Heiß (l.).

© Klaus D. Grote/PNN

Er selbst habe sein Konsumverhalten radikal umgestellt, sagt Drews. Kein Fleisch, fast nur vegane Ernährung. Sein Smartphone ist alt, er besitze nur zwei Paar Schuhe. Bei der solidarischen Landwirtschaft in Golm hilft er mit und kümmert sich so um regionalen Anbau und Verkauf von Gemüse. Das Konzept hat gerade Probleme. Während der Pandemie hätten die Gemüsekisten zahlreiche Abnehmer gefunden. Angesichts der Preissteigerung müsse es für viele jetzt leider wieder möglichst billig sein, sagt Jakob Drews.

Wegen der Klimakrise hat der 25-Jährige auch seinen Lebensplan geändert. „Ich wollte eigentlich Chirurg werden. Aber es braucht jetzt andere Fähigkeiten.“ Drews entschied sich für ein Studium der Landschaftsökologie. Dabei hatte er die Ausbildung zum operationstechnischen Assistenten in einem Berliner Krankenhaus schon hinter sich. Das Medizinstudium sollte folgen. „Doch ich hatte nicht das Gefühl, wirklich jemandem zu helfen.“

Als ein Kettenraucher, dem gerade ein Bein amputiert worden war, direkt nach der Operation nach einer Zigarette gefragt habe, sei für ihn klar gewesen, dass das Gesundheitssystem mit dem ungesunden Leben Geschäfte mache. Und dieses Geschäftsmodell gefalle ihm nicht.

Jakob Drews, in Berlin-Mariendorf aufgewachsen, war noch nach dem Abitur eher unbedarft, was den Klimaschutz angeht. „Nach dem Abi war ich in Neuseeland. Viel zu früh. Heute würde ich da nicht einfach nur Urlaub machen“, sagt er.

Es waren Menschen und Begegnungen, die ihn veränderten. Zum Beispiel Shubam Mamgain. Der Inder studiert in Golm Astrophysik. Irgendwann will er in seiner nordindischen Heimat eine Universität gründen, um Bildung voranzubringen. „Wir sind in einer Klimakrise und können nicht einfach Bäume fällen“, sagt Mamgain und klingt, als habe er keine Zeit zu verlieren. Auch er diskutiert mit den Leuten vom Studentenwerk, hört zu und betont immer wieder, wie wichtig Bäume sind. Viele alte Bäume in Potsdam würden wegen Hitze und Trockenheit sterben. In Golm werden sie mit Kettensägen gefällt.

Kritik an der Letzten Generation

Jakob Drews und Shubam Mamgaim wollen wissen, warum die Baupläne nicht geändert und die Bäume erhalten werden könnten. Die beiden Freunde beteiligten sich im vergangenen Jahr am Protestcamp zur Rettung des Dannenröder Forstes. Damals war es kalt und regnerisch, die Auseinandersetzungen mit der Polizei waren zum Teil brutal. „Ich bekam das Knie eines Polizisten zwischen die Beine“, erzählt Drews. Shubam Mamgain wurde umgestoßen.

„Das war anstrengend. Aber in Zukunft wird noch viel mehr passieren“, sagt Jakob Drews. Die Fahrbahnblockierungen der „Letzten Generation“ gefallen ihm indes nicht. Es brauche Zustimmung zu Maßnahmen gegen den Klimawandel. Die Aktionen erreichten aber das Gegenteil. „Das führt zu viel Furore, aber auch zur Spaltung.“

Und handelt er nicht selbst manchmal auch unvernünftig? „Vorwürfe lasse ich mir nicht machen. Die mache ich mir nur selbst. Aber ich arbeite an mir.“ Zur Verteidigung seiner Ideale gehörten auch Auseinandersetzungen innerhalb der Familie. Das sei anstrengend, aber notwendig.

Dennoch wirkt Jakob Drews nie missionarisch oder fordernd. Im Gespräch mit dem Studentenwerkchef hört er viel zu, stellt Fragen, äußert Verständnis. Für mehr Wohnraum brauche es Platz. „Innovativ wäre, um die Bäume herumzubauen“, sagt Jakob Drews. Zumindest eine alte Eiche wird im Ergebnis der Gespräche schließlich gesichert. Sie soll nicht gefällt werden. Und vielleicht lassen sich noch mehr Bäume vor der Kettensäge retten. Die Freunde Jakob und Shubam schließen nicht aus, dafür noch einmal auf einen der Bäume am Waldrand zu klettern.

Jakob Drews erklärt seinen Einsatz, der ihn manchmal ermüdet, mit dem Blick auf die drohenden Veränderungen durch den Klimakollaps: „Wenn wir nur auf der Couch sitzen, wird uns unsere Freiheit genommen.“

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