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Hagen Wegewitz ist als Vorsitzender der Potsdamer SPD-Fraktion zurückgetreten.

© Andreas Klaer

Querelen in Potsdams SPD dauern an: Ex-Fraktionschef kritisiert „mobbingartige Züge“

Hagen Wegewitz wendet sich mit Appell an die neue Fraktionsspitze. Auch die Avancen der SPD an die Ex-Beigeordnete Noosha Aubel spielen wieder eine Rolle.

In der Potsdamer SPD rumort es nach der Neubesetzung des Fraktionsvorsitzes weiter. Am Montag wurde ein Schreiben des nach dem innerparteilichen Machtkampf zurückgetretenen Ex-Fraktionschefs Hagen Wegewitz publik. In der Abrechnung, die den PNN vorliegt, erklärt Wegewitz unmissverständlich: „Die Verletzungen der letzten Wochen werden lange Zeit zum Heilen brauchen.“ Und weiter: „Ein ,Schließen der Reihen’ und ein ,Weiter so’ wird die Heilung nicht befördern.“ Das kann als direkte Ansage und Warnung an die neue Fraktionsspitze mit den langjährigen Stadtverordneten Pete Heuer und Babette Reimers gewertet werden.

Nach der Neuwahl der Fraktionsspitze vor einer Woche herrscht bei den Potsdamer Sozialdemokraten viel Unruhe. In den Wochen zuvor war der bisherige Fraktionsvorstand mit Wegewitz und Sarah Zalfen zunehmend unter Druck geraten. Das bestätigt Wegewitz in dem Schreiben, er spricht dabei von „mobbingartigen Zügen“.

Die Ex-Fraktionschefs Sarah Zalfen und Hagen Wegewitz (v.l.), hinter ihnen Karsten Dornhöfer und Daniel Keller.

© Foto: Andreas Klaer

So seien in den Monaten vor den jetzigen Querelen die Fraktionssitzungen zunehmend ruhig geworden - ohne Initiativen der Mitglieder, „kaum Wortmeldungen und es wurde viel aufs Handy geschaut“. Dann habe es in der Sitzung am 6. März Vorwürfe gegen die Fraktionsspitze gegeben, die „unstrukturiert und widersprüchlich waren“. Auf der einen Seite hätten die Kritiker eine mangelnde Einbindung beklagt, sie seien „nicht zu Wort gekommen und Sarah hätte oft zu viel geredet“. Aus Sicht von Wegewitz stelle dies ein „eher gedankenlos“ verwendetes antifeministisches Stereotyp dar. Zugleich werde jedoch der in sich widersprüchliche Vorwurf von „zu wenig Kommunikation“ gegen die frühere Fraktionsspitze erhoben.

Täter-Opfer-Umkehr beklagt

Das Ergebnis des Machtkampfes sei ein dauerhaft nur zur Hälfte besetzter Fraktionsvorstand - weil für die Stellvertretung der neuen Doppelspitze keine weitere Frau in der Fraktion gefunden wurde. Dazu beschreibt Wegewitz, wie Zalfen und die Stadtverordnete Grit Schkölziger gebeten worden seien, diese Stellvertreterposten zu besetzen - „mit dem Hinweis, dass das sonst nach außen hin schlecht aussehe“, so Wegewitz. Das sei „victim blaming“ gewesen, also eine Täter-Opfer-Umkehr. „Und zum anderen die Offenbarung, dass es bei Gleichberechtigung nicht nur um deren Herstellung, sondern mindestens im gleichen Maß auch um deren Darstellung geht.“

Die Strukturen, die es unbewusstem, unterschwelligem Antifeminismus in der Fraktion zu leicht machen, lassen sich nicht glaubwürdig leugnen.

Hagen Wegewitz, Ex-SPD-Fraktionschef

Nach Wechseln in der Fraktion hatte sich im Verlauf der Wahlperiode ein Verhältnis von acht Männern zu drei Frauen ergeben. Wegewitz schreibt dazu: „Ich unterstelle keinen bewussten Antifeminismus, aber die Strukturen, die es unbewusstem, unterschwelligem Antifeminismus in der Fraktion zu leicht machen, lassen sich nicht glaubwürdig leugnen.“ Gleichwohl werde die Existenz dieses Problems noch bestritten, konstatiert er verärgert.

Die Neuwahl an der Fraktionsspitze war nicht im Konsens erfolgt: Es gab sechs Ja-Stimmen, bei einem Nein, zwei ungültigen Stimmen und zwei SPD-Stadtverordneten, die nicht an der Wahl teilnahmen oder nicht anwesend waren.

Als Drahtzieher des Manövers sehen viele in der SPD den einflussreichen Landtagsfraktionschef und Stadtverordneten Daniel Keller. Allerdings wird darüber nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen, weil sonst Nachteile in der Partei befürchtet werden. Als mögliche Motive von Keller vermuten Genossen eine schiere Machtdemonstration, Kellers mögliche Ambitionen für das Amt des Ministerpräsidenten oder auch den Sturz des angeschlagenen Potsdamer Oberbürgermeisters Mike Schubert (SPD).

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und die ehemalige Beigeordnete Noosha Aubel (parteilos).

© Ottmar Winter

Letztere Vermutung hat insofern eine gewisse Plausibilität, weil es laut mehreren Sozialdemokraten Keller gewesen sein soll, der im vergangenen Sommer maßgeblich mit der inzwischen abgetretenen Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) über einen Eintritt bei der Potsdamer SPD verhandelt haben soll, um sie womöglich als Alternative zu Schubert aufzubauen.

Aus dem Umfeld von Kellers Unterstützerinnen und Unterstützern wird wiederum kolportiert, dass das wichtigste Gespräche dazu ausgerechnet im Garten von Ex-Fraktionschefin Zalfen stattgefunden habe. Aubel jedenfalls lehnte die Offerte der SPD ab - und verabschiedete sich einige Wochen später aus der Stadtverwaltung. Dabei übte sie offen heftige Kritik an Oberbürgermeister Schubert und seinem Führungsstil. Das hat nach Einschätzung vieler dessen Autorität stark untergraben.

Zu seinem Parteifreund Keller und den Vorgängen vor den aktuellen Querelen verliert Wegewitz in seinem Schreiben allerdings kein Wort. Für Montagabend war die nächste Fraktionssitzung der SPD geplant, Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.

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