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Landeshauptstadt: Zu viele Kinder im Heim

Städtevergleich der Jugendämter: Potsdam Spitzenreiter beim Einsatz öffentlicher Mittel

Das Jugendamt hat keine Konkurrenz in Potsdam. Um die eigene Arbeit dennoch einschätzen zu können, gebe es Vergleichsstudien mit Städten im Land Brandenburg und der Bundesrepublik. Und da erweise sich Potsdam bei den Hilfen zur Erziehung als unerwarteter Spitzenreiter, erklärte Jugendamtsleiter Norbert Schweers in einer gestrigen Pressekonferenz.

So habe das Kommunale Prüfungsamt im brandenburgischen Innenministerium festgestellt, dass im Erhebungsjahr in der Landeshauptstadt nur 191 pro 10 000 Minderjährige und junge Volljährige unter 21 Jahre Hilfen zur Erziehung benötigten. In Brandenburg hingegen verzeichnete man 358 Hilfefälle pro 10 000 Kinder und Jugendliche, in Frankfurt/Oder waren es 316 und in Cottbus 230. Spitze ist Potsdam auch im effektiven Einsatz öffentlicher Mittel für diesen Bereich. Da gebe es eklatante Unterschiede zu den anderen kreisfreien Städten, referiert Oliver Wollmann, im hiesigen Jugendamt für das Controlling zuständig. Während Potsdam im Durchschnitt für Vollzeitpflege, ambulante Pflege und Hilfen zur Erziehung pro Einwohner unter 21 Jahren 407 Euro aufwende, lägen die Ausgaben in Brandenburg mit 757 Euro fast doppelt so hoch. Diese „sehr guten Ergebnisse“ seien „im passgenauen Zuschnitt der Maßnahmen“ begründet, lobte Jugendamtsleiter Schweers die gute Arbeit von Verwaltung und Trägern. In diesem Bereich nehme Potsdam jetzt sogar Vorbildfunktion ein; es habe schon mehrere Anfragen aus anderen Städten gegeben.

Eher zum Schlusslicht gehört Potsdam allerdings beim Verhältnis Vollzeitpflege zu Heimerziehung. Im Bundesvergleich führt hier Bremerhaven die Tabelle an. Rund 90 Prozent der Vollzeitpflegekinder sind in Pflegefamilien und nur knapp zehn Prozent im Heim untergebracht. In der Landeshauptstadt hingegen sind über 77 Prozent der Kinder im Heim und Rest in einer Pflegefamilie. „Eine Zahl, mit der wir sehr unzufrieden sind“, sagte die Sozialbeigeordnete, Elona Müller. Ein „Ost-West-Phänomen“, wie Schweers erläutert. Im Westen hat die Aufnahme von Pflegekindern Tradition, in den Neuen Ländern baue sich nur schwer eine entsprechende Struktur auf. Derzeit gebe es in der Stadt 47 Pflegefamilien, die insgesamt 63 Kinder betreuten. „Wir wollen mehr gewinnen“, so Müller. Deshalb sei jetzt gemeinsam mit Pflegeeltern das bestehende Konzept überarbeitet worden und künftig in Druckform im Jugendamt erhältlich. Darin sei aufgeführt, was das Amt von den Pflegeeltern erwarte, aber auch was die Eltern von der Behörde fordern könnten. „Zum Beispiel fachliche Unterstützung und Weiterbildung“, so Schweers. Einen echten finanziellen Anreiz gebe es nicht: Das Erziehungsgeld betrage monatlich 205 Euro, der Zuschuss zu Materialkosten je nach Kindesalter zwischen 300 und 500 Euro. „Man soll ja auch nicht reich werden“, sagte Gudrun Händel, selbst Pflegemutter und Mitwirkende am Pflegekonzept, „sondern Kindern helfen wollen.“ NIK

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