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Familienbande. Georg Friedrich Prinz von Preußen legte am Neujahrstag während des Gottesdienstes in der Potsdamer Friedenskirche ein Kreuz, gebunden aus weißen Nelken, am Grab seines Vorfahren König Friedrich Wilhelm IV. nieder.

© Manfred Thomas

Von Klaus Büstrin: Die zu schwere Krone

Mehr Künstler als König: Zum 150. Todestag des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV.

Den „heiligen Bezirk“ von Sanssouci belebte er wieder nach jahrzehntelanger Ruhepause. König Friedrich Wilhelm IV. wollte seinem Ahnen Friedrich dem Großen ganz nahe sein. 1840, als der Sohn Friedrich Wilhelms III. und Luises auf den preußischen Thron stieg, machte er das Schloss Sanssouci zu seiner Sommerresidenz. Er und seine Frau, Elisabeth von Bayern, bewohnten die Gästezimmer des Vorfahren, in den umgebauten Seitenflügeln fanden die Hofdamen, Bediensteten sowie alles, was zu einer ansprechenden königlichen Hofhaltung benötigt wurde, Platz.

Es scheint, als ob der fromme König jedoch ein schlechtes Gewissen hatte, als er dem alten Bischof Eylert schrieb: „Es scheint mir passend, eine Kirche, welche zu einem Palastbezirk gehört, der den Namen Sans Souci, ,ohne Sorge'' trägt, dem ewigen Friedensfürsten zu weihen und so das wesentlich negative: ,Ohne Sorge'', dem geistlich Positiven: ,Frieden'' entgegen, oder vielmehr gegenüberzustellen. Der Name ,Friedenskirche'' lächelt mich so an “ Das protestantisch-pietistische Gefühl des Königs verlangte ein Gegenstück zum aufklärerischen Geist Friedrichs des Großen. Nur wenige Schritte entfernt vom Schloss Sanssouci wurde schließlich am Rande des Marlygartens, einem ehemaligen Küchengarten Friedrich Wilhelms I., die Friedenskirche in den Jahren 1845 bis 1848 von Ludwig Persius im italienisierenden Stil erbaut. Das Gotteshaus wurde schließlich die Begräbnisstätte Friedrich Wilhelms IV. und seiner Frau.

Der bereits 1857 schwer erkrankte König übergab seinem Bruder Wilhelm die Regentschaft. 1871 erlangte dieser die deutsche Kaiserkrone. Am 2. Januar 1861, gestern vor 150 Jahren, starb der Monarch. Die Beisetzung fand so statt, wie er es 1854 testamentarisch anordnete: „Sobald mein Tod durch die Ärzte bescheinigt ist, will ich, dass man meinen Leib wasche und öffne. Mein Herz soll in ein verhältnismäßig großes Herz aus märkischem Granit gelegt und am Eingange der Gruft im Mausoleum zu Charlottenburg (folglich zu den Füßen meiner Königlichen Eltern) in den Fußboden eingemauert und von ihm bedeckt werden. Meine Ruhestätte soll die Friedenskirche sein so, dass einst die Königin zu meiner Rechten ruht.“

Friedrich Wilhelms reiche Persönlichkeit zu erfassen, ist nicht ganz so leicht, seine politische Tätigkeit dagegen durchschaubarer. Bei seinem Regierungsantritt 1840 machte man sich noch Hoffnung, dass er das autokratische preußische Staatswesen liberalisieren würde. Doch man täuschte sich, denn er war jemand, der den politischen und geistigen Kräften der Zeit, vor allem dem Liberalismus, nicht sehr gewogen war, sich gegen sie wandte. Und dennoch blieb es ihm nicht versagt, politisch einige Zugeständnisse zu machen, oftmals zähneknirschend. Ludwig Feuerbach fasste sein politisches Wirken in einem Satz zusammen: „Das Irdische bekümmert ihn wenig.“ Diesem Urteil kann man jedoch nur mit Abstrichen zustimmen. Er sah schon die große Armut in seinem Land. Aber er hoffte dabei auf die Hilfe der Kirche, der Diakonie und auf die Wohltätigkeitsvereine, die sich auf sein und seiner Frau Betreiben hin gründeten.

Bei seiner Thronbesteigung erklärte er, dass er „ein christlicher König seyn“ werde. Er war davon überzeugt, „daß ich Meine Krone von Gott allein habe“, dass das Königtum allein von Gottes Gnaden sei. Er, der die Urkirche der Christenheit wieder gern installiert hätte, hasste alles Revolutionäre. Sie war für ihn „das Aufheben der göttlichen Ordnung, das Verachten, das Beseitigen der rechten Obrigkeit, sie lebt und atmet ihren Todeshauch, so lange unten oben und oben unten ist.“

Die Märzrevolution von 1848 in Berlin hat ihn in tiefster Seele getroffen. Konzession auf Konzession musste er machen, so dass Preußen sich vorübergehend in eine revolutionäre Monarchie verwandelte. Die preußische Nationalversammlung und die Bürgerwehr hatten das Sagen, der König trat in den Hintergrund. Ende 1848 konnten die konservativen Kräfte das Ruder jedoch wieder herumreißen. Herzog Ernst II, von Sachsen-Coburg-Gotha sagte über König Friedrich Wilhelm IV.: „Befehl und Gegenbefehl wechselten bei seinen Entschließungen häufig, und zu seiner eigenen Qual war er sich dieses Mangels an Bestimmtheit und Festigkeit bewusst; er suchte darüber durch Raisonnements und Gründe sich gleichsam selbst zu berauschen und zu täuschen. Bei diesem leidenschaftlich bewegten Innern vermochte einzig die tiefe Sehnsucht nach einem inneren Frieden mit Gott ihm einen relativen Ruhepunkt zu gewähren.“

Aber auch die Kunst, das Mäzenatentum, vor allem die Beschäftigung mit der Architektur trug zu seinem Frieden bei. Der Monarch war nach Friedrich dem Großen der wichtigste Gestalter in Sachen Bau- und Landschaftskunst Potsdams und der Umgebung. Oftmals skizzierte er bereits als Kronprinz seine Vorstellungen auf zig Blättern, die auch einen Zug ins Visionäre hatten. Die Höhenzüge um Potsdam sollten Architektur und Natur zu einem weit ausschwingenden Raumerlebnis werden lassen. Vieles ist davon nur Utopie geblieben. Karl Friedrich Schinkel, Ludwig Persius, Friedrich August Stüler haben Schlösser, Villen oder Kirchen gebaut, zumeist nach italienischem Vorbild, Peter Joseph Lenné hat ein Landschaftskunstwerk entworfen, das seinesgleichen sucht.

Friedrich Wilhelm IV., der zum Tragen einer Krone verurteilte Spross der Hohenzollernfamilie, war ein Musenfreund, ein Mann mit Fantasie, ein „Zerrissener“, ein „Romantiker auf dem Thron“, wie ihn der Schriftsteller David Friedrich Strauß bezeichnete. Besonders die Intellektuellen fanden Vertrauen zum König. Der Forscher Alexander von Humboldt war sein Gast, der Dichter Ludwig Tieck wohnte in seiner Nähe, Felix Mendelssohn Bartholdy komponierte für Aufführungen des Shakespeare’schen „Sommernachtstraum“ im Neuen Palais die Bühnenmusik, den Revolutionspoeten Georg Herwegh gewährte er freundliche Audienz.

In seinem bekannten Sarkasmus schrieb Heinrich Heine über König Friedrich Wilhelm IV, jedoch mit Zuneigung: „Ich habe einen Faible für diesen König. / Ich glaube, wir sind uns ähnlich ein wenig. / Ein vornehmer Geist, hat viel Talent. / Auch ich, ich wäre ein schlechter Regent.“

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