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Kultur: Ein perfekter Mix

Filmlivekonzert mit Chaplins „Goldrausch“

„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“, weiß Goethes Margarete mit faustischem Spürsinn um den sinnlichen Wert des Edelmetalls. Doch auch die Goldgräber Black Larsen, ein von der Polizei gesuchter Verbrecher, und Big Jim drängt es im schnee-eisigen Alaska zu diesem Inbegriff allen Glücks. Aber sie müssen es erst einmal suchen, ehe sie es gewinnbringend veräußern können. Hindernisse stellen sich ihnen dabei in den Weg. Etwa ein mit Stöckchen, Melone und ausgetretenen Schuhen ausstaffierter Tramp.

Es ist kein anderer als Charlie Chaplin, der die Hauptrolle in dieser von ihm drehbuchfixierten, regielich umgesetzten und filmmusikalisch kommentierten zauberhaften Märchenkomödie mit tieferem Sinn spielt. Sie nennt sich „Goldrausch“ und ist längst ein Stummfilmklassiker aus dem Jahr 1925. „Mit diesem Film“, so Chaplin, „möchte ich der Welt in Erinnerung bleiben.“

Was ihm, neben all seinen anderen cineastischen Vortrefflichkeiten, auch geglückt ist. Diesen Hit bot der Nikolaisaal als cineastische Jahresendofferte, abseits des an diesem Tag sonst so Gängigen. In dieser heiteren Groteske vom immerwährenden Vorbeigeraten (des ihn verfolgenden Bären oder des Suchens von Partnern) bleibt dem Zuschauer kaum ein Auge trocken: entweder vor Spaß an hinreißenden Slapstickkapriolen oder angesichts der gemütsanrührenden „Monologe“ des ahnungslos in die ärgsten Gefahren geratenen Tramps. Geradezu herzzerreißend, wenn der einsame, von einer Schönen versetzte Charlie den Festtisch zum Jahreswechsel deckt, aus Papier die feinsten Tischdecken formt oder den graziösen „Brötchen-Tanz“ auf der Tischplatte vollführt – mit zwei auf Gabeln gespießten Schrippen!

Vorgeführt wird die ursprüngliche Fassung unter Verwendung von Material der Originalfassung und der zweiten Version von 1942. Daher auch die der Urform gemäßen Zwischentitel in englischer Sprache. Auch wer ihrer nicht mächtig ist, versteht die eigentlich schlicht gestrickte Handlung und ihre tiefersinnigen Intentionen. Wenn beispielsweise die auf einem Felsgrat angeseilte Hütte im Sturm wankt, so ist das ein geradezu unheimliches Gleichnis von der aus dem Gleichgewicht geratenen Welt, in der Menschen keinen Halt und keinen Mittelpunkt mehr finden. Grausig auch das Sinnbild für Hunger und Not, wenn Charlie am Thanksgiving Day in Ermangelung eines Stückchens Fleisch seinen Schuh brät, die Schnürsenkel wie Makkaroni genüsslich verspeist. Zum Lachen! Oder auch nicht, wenn etwa Big Jim in seinen Wahnvorstellungen Charlie als Riesenhuhn erblickt und ihm an die Kehle will. Doch keine Bange, es gibt ein Happy End.

Wesentlichen Anteil am einstigen wie heutigen Erfolg hat neben den Filmtricks auch Chaplins Musik, die das komische bis dramatische Geschehen voller Anteilnahme begleitet. Im Deutschen Filmorchester Babelsberg unter Leitung von Helmut Imig hat sie ihren besten Anwalt. Da geht es, auch geräuschdirekt, immer genau auf den Punkt zu, eilt mit Akkuratesse der Rimski-Korsakowsche „Hummelflug“ vorüber, wird mit Gesellschaftstänzen (für die Tanzkneipenszenen) oder dräuend dargebotenen Wagnerzitaten („Tannhäuser“, „Rienzi“) nicht gespart. Gar köstlich und überraschend auch der Chor der Musiker! So ergeben Bild und Musik eine beglückende, unauflösliche Einheit. Die Musiker werden stürmisch und anhaltend gefeiert. Peter Buske

Peter Buske

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