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Kultur: Fördergelder für Beziehungskrise

Oskar Roehler stellte beim Filmboard-Transparent „Der Alte Affe Angst“ vor

Oskar Roehler stellte beim Filmboard-Transparent „Der Alte Affe Angst“ vor Von Marion Hartig Er hat einen dieser Filme gemacht, die bei den Kritikern voll ins Schwarze treffen – oder total daneben liegen. Im Wettbewerb der Berlinale 2003 ging „Der Alte Affe Angst“ nicht nur leer aus, die Zuschauer machten ihrem Ärger über den Film sogar mit Buh-Rufen Luft. Kein Preis weit und breit auf dem Festivalmarkt für den Streifen, der von den lobenden Kritikern als „eindringliche Liebesgeschichte, als „bewegender, mutiger und schonungslos ehrlicher Film“ beschrieben wird, der „mit romantischen Vorstellungen von Liebe aufräumt“, „durch seine Rigorosität schmerzt“ und „sich mit verborgenen Ängsten auseinander setzt“. Am Dienstagabend lief das Drama über die Liebesbeziehung von Robert, dem hypersensiblen Theaterregisseur, und Marie, der liebenden Ärztin (überragend gespielt von André Hennicke und Marie Bäumer) beim Filmboard-Transparent im Filmmuseum über die Leinwand. Der im April 2003 in den Kinos angelaufene Streifen traf auf reges Interesse, bis auf den letzten Platz waren die blauen Plüschsessel im Saal besetzt. Im anschließende Filmgespräch mit Radio1-Moderator Knut Elstermann erzählte Regisseur Oskar Roehler vom Drehbuchschreiben „in einem Wurf“ und den Gefühlswelten hinter seiner Story. Der demnächst nach zehn Jahren Filmboard sein Amt abtretende Intendant Prof. Klaus Keil erklärte, dass Roehler-Drehbücher sein Förderer-Team neugierig machen, dass sich aus den Drehbüchern des Regisseurs eine besondere Handschrift und eine spezielle Radikalität ablesen lasse. Was Roehler u.a. mit „Die Unberührbare“ (2000) bewiesen habe. Der Kinofilm wurde mit dem deutschen Filmpreis, dem Preis der deutschen Filmkritik und den Quinzaine des Realisateurs Cannes 2000 ausgezeichnet. Mit zwei Millionen Euro schließlich konnte der Filmemacher seine Berlin-Geschichte realisieren. Geplant waren ursprünglich drei Millionen, berichtete Produzent Dietmar Güntsche. Er habe Oskar bitten müssen, das Drehbuch entsprechend zu ändern. Auf die gespaltene Kritik an seinem Film geht Roehler nicht ein. Ja, „Der Alte Affe Angst“ sei ein sehr privater Film, der sein Lebensgefühl, seinen Kosmos beschreibe, erzählt er. Einmal habe er mit seiner Frau an der italienischen Steilküste Urlaub gemacht. Es kam zum Streit. Sie verließ das Haus, um Spazieren zu gehen und kam erst am nächsten Morgen zurück. Ein „Todesverlusterlebnis“, schildert Roehler, „Du spürst, das mit dem anderen etwas passiert und weißt nicht was. An einem solchen Morgen ist, wenn der andere fort ist, ist nichts wie vorher“. Authentisch allerdings ist der Film nicht, Roehler hat seine Welt in einen allgemeinen Kosmos hineingeschrieben. Seine Story dreht sich um einen Mann und eine Frau, die nicht aufhören, an ihre Liebe zu glauben, um einen Mann in der Ehe und darum, was bei Seitensprüngen alles herauskommen kann. Sein Film ist eher ein Männer- als ein Frauenfilm, gibt Roehler zu. Ganz am Anfang war die Frau nur Opfer, erzählt er, bei den Drehbuchüberarbeitungen aber veränderte er ihre Rolle, sie wurde aktiv, selbstbewusst, fast stark – was der Film zeigt, sind zwei Menschen, die extrem fühlen und in immer extremeren Situationen extrem reagieren. Wirklich stark ist dabei keiner von beiden. Vielmehr wanken Mann und Frau bei ihrem Versuch einer großen Liebe pendelartig zwischen stark und schwach hin und her. Ein Mann im Publikum wird später sagen, dass er sich mit den Figuren nicht identifizieren kann. Er lebe in keiner langen Beziehung, wie Marie und Robert. Das Paar kommt ihm jugendlich, nicht erwachsen vor. Oberflächlich betrachtet mag er recht haben. Darunter allerdings geht es zur Sache. Tief schöpft der Regisseur die Befindlichkeiten seiner durchaus allgemeingültigen, wenn auch hemmungslosen Figuren aus, im Gespräch, in der Geste, im Handeln. „Die Geschichte zeigt konventionelle Konflikte“, stellt Roehler klar. Nur das sie ungewöhnlich gespielt werden müssen, ansonsten langweilig sind. So wie Fernsehsendungen, in denen Schauspieler nur noch in die Musterkiste greifen, um bestimmte Gefühle in Szene zu setzen. Roehler hat seinen Schauspielern eine Menge zugemutet. Es mache sicher keinen Spaß, sich in solche Extremsituationen zu versetzen, sagt er. André Hennicke sei ein Denker und habe Abstand zur Rolle gehalten. Marie Bäumer spiele emotionaler und habe damit Probleme gehabt. Aber gerade deshalb fülle sie die Rolle so brillant aus. Sein nächster Film wird ganz anders, kündigt der Regisseur an. Geplant ist eine Familiengeschichte, die aber weniger tiefenpsychologisch angelegt ist. Tänzerisch leicht soll sie daherkommen.

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