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Kultur: Mehr als die üblichen DDR-Erinnerungen

Katja Oskamp mit Potsdamer Literaturpreis „Der kleine Hei“ ausgezeichnet

Katja Oskamp mit Potsdamer Literaturpreis „Der kleine Hei“ ausgezeichnet Von Dirk Becker Allzu leicht sollte man es sich mit Katja Oskamps Debüt „Halbschwimmer“ nicht machen. Der Titel weckt zwar Neugier. Doch schon auf den ersten Satz im Klappentext folgt Ernüchterung. „Als einzige Tochter eines hohen NVA-Offiziers und einer Schuldirektorin hätte Tanja die besten Voraussetzungen dazu, ein Musterprodukt der DDR-Gesellschaft zu werden.“ Also noch eines dieser derzeit so beliebten Bücher über Kindheit und Jugend in der DDR? Sofort denkt man an Jana Hensel und Claudia Rusch. Und macht man die Probe aufs Exempel, blättert durch die knapp 190 Seiten, stößt man prompt auf die obligatorische Ostseeurlaubsgeschichte. Man könnte es sich nun leicht machen und das Buch zurück in das Regal stellen. Nur leider würde man dann nicht erfahren, dass Katja Oskamp mehr will und auch mehr kann. Carsten Wist, aus dem gleichnamigen Literaturladen in der Brandenburger Straße, hatte es sich mit Katja Oskamp anfangs leicht gemacht. Junge Autorin, ein paar DDR-Geschichten, alles schon bekannt. Doch nachdem ihm das Buch mehrmals empfohlen worden war, ließ er Vorurteile Vorurteile sein, fing an zu lesen und war begeistert. So begeistert, dass er sich entschloss, die Autorin mit dem hauseigenen Literaturpreis „Der kleine Hei“ zu ehren. Am Freitagabend überreichte Carsten Wist zum ersten Mal den „kleinen Hei“, mit dem er von nun an einmal jährlich, das für ihn interessanteste Buch einer jungen deutschen Autorin bzw. Autors ehren will. Der Raum über dem Laden war dem Andrang der Gäste kaum gewachsen. Zwei der neun Geschichten aus „Halbschwimmer“ las Katja Oskamp an diesem Abend. 1970 in Leipzig geboren und in Berlin aufgewachsen, ist sie dorthin, nach ihrer Arbeit als Dramaturgin in Rostock und ihres Studiums am Literaturinstitut in Leipzig zurückgekehrt. „Halbschwimmer“, so erklärte Katja Oskamp im anschließenden Gespräch, war nie als ein DDR-Erinnerungsbuch geplant. Sie wollte über ganz persönliche Erfahrungen schreiben. Da sie in der DDR geboren und aufgewachsen ist, sei die zwangsläufig in ihre Geschichten eingeflossen. Und diese sind vor allem Geschichten einer Suche. Tanja ist auf der Suche nach der Liebe und nach sich selbst. Ihre Mutter Direktorin, ihr Vater ein hohes Tier beim Militär - nach 1989 wird sie erfahren, was ihr Vater wirklich machte und den Kontakt zu ihm abbrechen – ihr Elternhaus scheint intakt. Doch etwas fehlt. Erst mit 18, mit dem 48-jährigen Schauspieler Karl, wird sie es finden: Liebe und eine nachgeholte Kindheit. Katja Oskamp erzählt mit einer schlichten aber ausdrucksstarken Sprache. Die Schulzeit von Tanja, ihre spätere Suche, oft bleiben dies Skizzen, kurze Sätze, die vieles nur andeuten. Kurze Sätze aber, mit denen die Autorin oftmals mehr auszusagen versteht, als es ellenlange Erklärungen können. Nur einmal, in „Zweiundsiebzig Schritte“, scheint Katja Oskamp das Dramatische überzustrapazieren, wenn die unerwünschte Schwangerschaft nach durchfeierter Nacht mit einer Fehlgeburt endet. Eine Dozentin am Leipziger Literaturinstitut sei auf ihre Erzählungen aufmerksam geworden und forderte sie auf, bloß weiterzumachen, erzählte Katja Oskamp. Durch ein Essay über das Verbeugen von Schauspielern sei dann der Schweizer Amman-Verlag an sie herangetreten. Die ersten Geschichten überzeugten, danach habe sie geschrieben „wie verrückt“, damit „Halbschwimmer“ daraus werde. Woran sie derzeit arbeitet, darauf ging sie an diesem Abend nicht ein. Doch Carsten Wist lud sie vorsorglich wieder ein, sprach ihr gar ein „Leserecht auf Lebenszeit“ zu. Denn er ist sich sicher, das Katja Oskamp eine Autorin ist, von der noch einiges zu erwarten ist.

Dirk Becker

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