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Augenzwinkernder Abschied von 2011. Es dirigiert Antonello Manacorda.

© Andreas Klaer

Kultur: Vergnüglich

„Das gleiche Procedere wie jedes Jahr, nur diesmal mit Musik!“: Dinner for One and Orchestra im Nikolaisaal

Der Tiger fehlt! Stattdessen liegt wie zufällig ein antiquierter Cellokasten auf dem Podiumsboden. Sollte er die Stolperfalle für Butler James sein, an die er stets und ständig stößt, wenn er das Dinner für seine Chefin Miss Sophie serviert?! Das erwartungsfroh gestimmte Publikum im ausverkauften Nikolaisaal erblickt am Silvesterabend rechtsseitig einen Riesentisch nebst fünf Stühlen für Miss Sophie und ihre verblichenen Verehrer. Ein eher prosaischer Anblick jenes eigentlichen verspielt-üppigen Salons, wie ihn die Fans des silvestrischen TV-Kultstücks „Diner for One“ kennen und lieben. Auf einer mit Alkoholika reich bestückten Anrichte steht, ein wenig verloren und nur zur Staffage, ein mehrflammiger Kerzenleuchter. Doch noch fehlen die Protagonisten des komödiantischen Geschehens, zu dessen vergnüglicher Besichtigung die Kammerakademie Potsdam unter Leitung ihres Chefdirigenten Antonello Manacorda geladen hat, um vom alten Jahr fröhlich und augenzwinkernd Abschied zu nehmen.

Zum Auftakt des musikalischen Diners servieren die Musiker mit übertriebener Forsche und ganz auf preußisch zackige Art die Ouvertüre zur „Fledermaus“ von Johann Strauß, wobei Manacordas Dirigat einer grotesken Pantomime auf unsensibles und unelegantes taktschlägerisches Imponiergehabe gleicht. Das kann ja heiter werden. Wird es auch. Spätestens dann, als Butler James alias Wolfgang Lasch die Szene betritt und den Tisch zur Geburtstagstafel eindeckt. Er trägt eine überdimensionierte Kopfmaske mit vergröbert-kantigen Zügen wie bei einer Marionette. Da sind seine pantomimischen und sprachgestalterischen Fähigkeiten gefragt, die fehlendes Mienenspiel vergessen machen. Dann der Auftritt von Miss Sophie alias Barbara Kuster, während Matthias Simm das kecke Rondo.Allegretto aus dem Weberschen f-Moll-Klarinettenkonzert hingebungsvoll und voller Witz bläst.

Auf James diesbezügliche Frage antwortet Miss Sophie: „Das gleiche Procedere wie jedes Jahr, nur diesmal mit Musik!“ Ein hübscher Einfall, die Komödie mit dazu passenden Klängen zu verknüpfen, in denen Musiker von ihrem solistischen Können höchst eindrucksvoll künden können. Während das Dinner seinen bekannten Verlauf nimmt, kommt auch der Hörgourmet auf seine Kosten. Allerdings hat es mit der aufmerksamen Hinwendung zu den Klängen mitunter dann seine Tücken, wenn die Sinne durch das optische Geschehen zu sehr abgelenkt werden. Mit innig geblasenen Kantilenen und virtuoser Geläufigkeit bläst Jan Böttcher auf sehr charmante Weise das Oboenkonzert Es-Dur von Vincenzo Bellini. Des amüsanten Tirilierens scheint kein Ende, als Bettina Lange Charles le Thieres Tonmalerei „L’Oiseau du bois“ auf der Piccoloflöte mit endlosem Atem sehr ergötzlich zwitschert. Zum Sherry-Gang spielt Bratscher Christoph Starke sehr innig den „Christmas Dance“ von Ralph Vaughan Williams, während Fagottist Christoph Knitt mit Webers „Andante e Rondo ungarese“ Waldesromantik pur verbreitet. In bester Stehgeigermanier saitenzaubert Konzertmeister Peter Rainer den „Winter“ von Astor Piazolla, um wenig später von Schreibmaschinist Friedemann Werzlau abgelöst zu werden, der Leroy Andersons Köstlichkeit „The Typewriter“ hinhämmert. Mit straff musizierten Auszügen aus Bizets „Carmen“ kommt Miss Sophie auf ihre alten Tage in erotische Stimmung, als ihr James den eigenhändig gemixten Biopudding Marke „Grüner Würger“ kredenzt. Spätestens dann kennt der Jubel keine Grenzen mehr. Zugaben danken ihm. Peter Buske

Peter Buske

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