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Potsdam-Mittelmark: Der Erzfeind von Vattenfall und Co.

Energieberater haben angesichts kletternder Preise Hochkonjunktur. Ein Beispiel aus Seddin

Seddiner See · Seddin - „Mit dem grünen Gewissen kann man eigentlich gar keinem kommen.“ Steffen Engler sieht die Sache nüchtern. Wenn man Leute dazu bewegen will, ihr Haus energietechnisch auf den neusten Stand zu bringen, helfe eigentlich nur die Sparschraube. Engler ist Energieberater. Einer von hunderten in Brandenburg und Berlin. Und es werden immer mehr.

Der Potsdamer sitzt zusammen mit seinen neuen Kunden an deren Küchentisch. Bernd und Martina Meder aus Seddin richten fragende Blicke auf das Dutzend Blätter, das Engler vor ihnen ausgebreitet hat. Das komplette Haus ist in Tabellen, Diagramme und Grafiken aufgesplittet. Jede Wand, jedes Fenster und die Heizung hat Engler durchgerechnet und grafisch dargestellt.

Rund 3600 Energieberater sind bei der Bafa (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) bundesweit zugelassen. Rund 300 sind es nach Auskunft des Landesfachverbandes in Brandenburg. Und: Die Spezialisten werden immer gefragter. 178 Energieberater hat allein die Handwerkskammer Potsdam in den vergangenen drei Jahren ausgebildet. „Tendenz steigend“, sagt Herbert Pape, Umweltberater bei der Kammer.

Im aktuellen Kurs sitzen wieder 32 Spar-Experten, die sich diese Weiterbildung nicht entgehen lassen. Kein Wunder: Der Energieberater werde gerade in den kommenden Jahren ein krisensicheres Zubrot haben, erklärt Pape. Grund: Die Zeitspanne nach der Wende. „So etwa 17 Jahre alte Heizungsanlagen sind dann überholungsbedürftig weil der Verbrauch finanziell nicht mehr tragbar ist“, sagt der Umweltberater.

Auch viele Einfamilien-Häuser – seinerzeit für hunderttausend Mark hingestellt, dass sie gerade so die Wärmeschutz-Norm erfüllen – bräuchten angesichts der kletternden Preise ein neues Konzept.

„In Westdeutschland ist immer gleichmäßig gebaut worden“, sagt Pape. „Durch die Neuen Länder aber wird ein Sanierungs-Ruck gehen“, ist er sich sicher. Das betreffe insbesondere den Speckgürtel von Berlin. Damit es bei jedem einzelnen ruckt, dafür sind Energieberater wie Steffen Engler zuständig. Er und seine Kollegen dürften eigentlich die Erzfeinde der Energiekonzerne sein. Dort, wo sie aufkreuzen, kann man sicher sein, dass in Zukunft weniger Gas oder Strom gekauft wird. Im Fall der Familie Meder 50 Prozent – das sind 800 Euro, jedes Jahr. „Dass die Preise weiter steigen, ist da noch nicht eingerechnet“, sagt Engler.

Auf der Leiter stehend inspiziert der Berater die wurmstichige Decke. Dicke Glaswollebahnen aus der Neuzeit quellen hervor. „Dieser Anbau hier ist der älteste Teil unseres Hauses“, gibt ihm Hausherrin Martina Meder zu verstehen. „Mittelalter“, witzelt sie. Seitdem habe jede Generation irgendetwas angebaut. Jetzt sei es mal Zeit für ein Gesamtkonzept. Martina Meder ist vor kurzem zu Geld gekommen. „Für mich ist das die nachhaltigste Sparvariante“, begründet sie den Besuch des Energieberaters.

300 bis 500 Euro kann dieses Rendezvous kosten. Im Maßstab zu den Preisen am Energiemarkt dürfte diese Summe lächerlich wirken. Zumal neben den energetischen Veränderungen am Haus selbst die Beratung durch einen Energieberater in eine zinsgünstige Finanzierung einfließen kann. Außerdem bekommt der Kunde einen Energiepass für sein Gebäude. Bei Neubauten, öffentlichen Gebäuden und Vermietung schreibt der Gesetzgeber das Formular schon jetzt vor. Bei Kauf oder Verkauf wird der Energiepass in diesem Jahr Pflicht.

Die Meders aus Seddin wollen auf Englers Rat hin drei Dinge in Angriff nehmen. Ihren Gasheizkessel aufmöbeln, so dass er die Abluft noch effektiver nutzt. Die kompletten Wände und den Fußboden am Altbau dämmen. Und vielleicht bauen sie auch eine Erdwärme-Anlage. Dann wären sie völlig unabhängig von den Launen des Energiemarktes. „Je größer, desto mehr lässt sich sparen“, wirbt Engler. Gewerbliche Kunden, die früher 24 000 Euro Heizkosten pro Jahr hatten, küssen ihm heute noch die Hände. „Durch eine Holzheizung, neue Türen, Fenster und Dämmung konnten wir die Kosten oft auf 8000 Euro drücken.“ Eine Rechnung, die sehr bald aufgehen wird, ist sich der Energieberater sicher.

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