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Sport: Grübler und Jubler

Das deutsche Team bei der Vierschanzentournee präsentiert sich wieder zweigeteilt – nur die Zuordnungen sind anders geworden

Garmisch-Partenkirchen. Sogar der Pressesprecher des Deutschen Skiverbandes kennt noch nicht alle Fakten vom neuen Helden aus dem eigenen Lager. Markus Schick steht in einem weißen Zelt unterhalb der Garmischer Olympiaschanze und versucht, den angeschwollenen Informationsbedarf über den deutschen Skispringer Georg Späth zu stillen. Bei der Frage nach dem Heimtrainer muss er kurz innehalten. „Sein Heimtrainer ist …“ Schick überlegt und antwortet schließlich mit einer im Bayerischen üblichen Inversion des Namens: „ … der Leiner Peter.“ Ganz sicher aber ist sich der Pressesprecher nicht, weshalb er sich schnell bei dem in der Nähe stehenden Georg Späth rückversichert. „Du, dein Heimtrainer ist doch der Leiner Peter?“ Späth nickt, und der Pressesprecher gibt die Information zur Verbreitung frei, indem er es noch einmal wiederholt: „Der Leiner Peter.“

Der Leiner Peter hat es sich vermutlich nicht träumen lassen, dass bei der diesjährigen Vierschanzentournee ein wenig Ruhm auch auf ihn abfällt. Doch sein 22-jähriger Schützling aus Oberstdorf ist gemeinsam mit Michael Uhrmann die positive Überraschung dieser Tournee. Beide tragen vor den abschließenden Springen in Innsbruck (4. Januar) und Bischofshofen (6. Januar) die Hoffnungen des deutschen Teams. Georg Späth belegt nach seinem dritten Rang in Garmisch-Partenkirchen auch im Gesamtklassement Rang drei, Uhrmann folgt auf Rang vier.

„Es ist eine ganz neue Situation für mich“, sagt Späth, „normalerweise mache ich meinen Sprung, ziehe den Anzug aus und gehe nach Hause.“ In Garmisch-Partenkirchen machte er seinen Sprung, zog seinen Anzug aus, ging erst zur Siegerehrung, dann ins RTL-Fernsehstudio und schließlich zur Pressekonferenz der drei Erstplatzierten. Eine Tour, die sich der zurückhaltende Sportsoldat gerne gefallen ließ. „Ich freue mich über meine neue Rolle“, sagt Späth.

Sven Hannawald oder Martin Schmitt kennen diese Prozedur nach dem Wettkampf nur zu gut. Aus der Vergangenheit. Doch bei der diesjährigen Tournee haben Georg Späth und Michael Uhrmann den beiden populärsten deutschen Springern sportlich den Rang abgelaufen. Hannawald kommt mit den Erwartungen überhaupt nicht zurecht, mit Rang zwölf im Gesamtklassement bleibt er weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück. „Seit Oberstdorf ist ein kleiner Klemmer drin, ich weiß auch nicht warum“, sagt Hannawald. Und Martin Schmitt bestätigt mit Rang 22 seine schwache Form dieser Saison. Hannawald freut sich, dass andere mit ihren Erfolgen die Öffentlichkeit ablenken. „Es ist gut, dass wir Leute wie den Uhri und den Schorschi haben, da kann man sich besser auf sich selber konzentrieren.“

Die deutsche Mannschaft präsentiert sich bei der Tournee zweigeteilt. Auf der einen Seite die Grübler Hannawald und Schmitt, die von Sprung zu Sprung nachdenklicher werden, auf der anderen die Jubler Späth und Uhrmann, die von Sprung zu Sprung selbstbewusster werden. Auf die Stimmung im deutschen Team drücke die unterschiedliche Gemütslage nicht, erzählt Späth, weil sich jeder zusammenreißt. „Die verbreiten keine Negativstimmung, und ich verbreite keine Hochstimmung.“ Auch das Verhältnis in der Mannschaft habe sich durch die sportlichen Erfolge der Nummer drei und vier nicht geändert. „Die Hierarchie hat sich über Jahre aufgebaut, die verändert sich nicht von Wettkampf zu Wettkampf“, sagt Späth.

Und doch gibt es Anzeichen, dass etwas in Bewegung geraten ist. Bei den weiblichen Fans verlieren Hannawald und Schmitt an Beliebtheit. Die Münchner „Abendzeitung“ wittert bereits einen Aufstand der Fans, einige Schanzengroupies fänden die beiden arrogant und unnahbar. Schriftzüge wie „Uhri“ oder „Späthi“ auf den Plakaten der weiblichen Fans mehren sich. Der Fernsehsender RTL passt sich allmählich auch an die neue Lage im deutschen Team an. Hatte der Sender im Vorfeld die Werbung noch völlig auf Hannawald und Schmitt zugeschnitten, taucht Schmitt nun etwas seltener im Programm auf. Michael Uhrmann hingegen blendete RTL bei der Qualifikation mehrfach bei der Vorbereitung zu seinem Sprung ein. Und Georg Späth bekam in Garmisch erstmals eine Einladung ins kleine TV-Studio an der Schanze, wo Moderator Günther Jauch zu ihm sagte: „Stellen Sie sich doch einmal dem TV-Publikum vor.“

Der Informationsbedarf ist groß. Weil Georg Späth bereitwillig die vielen Fragen beantwortete, sind neben dem Namen des Heimtrainers noch weitere Fakten über den jungen Skispringer bekannt geworden. Für seine jüngsten Erfolge macht er die verbesserte Athletik und das neue Selbstbewusstsein veranwortlich. Späth hat keinen Manager, aber einen Sponsor, er wohnt noch zu Hause, weil er keine Zeit gefunden hat, in sein neues Apartment umzuziehen. Nur eine Frage machte Georg Späth ratlos. Ob er, der keine Freundin hat, denn gerne eine hätte? Späth wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Doch er sollte die kuriose Anfrage positiv sehen. Es sind Fragen wie diese, die vom neuen Ruhm künden.

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