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Wirtschaft: "Die Leute gehen jetzt früher nach Hause"

Felix Frohn-Bernau (33) ist Vorstandschef des Berliner Internetunternehmens Dooyoo AG. Er gründete das Unternehmen im September 1999.

Felix Frohn-Bernau (33) ist Vorstandschef des Berliner Internetunternehmens Dooyoo AG. Er gründete das Unternehmen im September 1999. Zuvor war der Prädikats-Jurist als Rechtsanwalt in Madrid, München und Berlin tätig. Im Juli 2000 gründete er den Verband Enef (European Net Economy Forum).

Herr Frohn-Bernau, gibt es bei Dooyoo noch einen New-Economy-Kicker?

Na klar. Unsere Leute haben sogar mal ein Kicker-Turnier der Start-ups gewonnen. Jetzt wird er aber kaum noch benutzt.

Warum nicht?

Die Leute gehen jetzt einfach nach der Arbeit nach Hause. Früher waren sie bis spät abends hier und haben zwischendurch eine Runde Kicker gespielt. Wir hatten viele motivierte Berufseinsteiger, die ihre Freunde hier hatten. Da bleibt man gerne etwas länger und verbringt einen Teil seiner Freizeit in der Firma. Das hat sich jetzt normalisiert.

War alles nur ein schöner Schein?

Ein Schein ist nur etwas, das nicht wirklich ist. Aber die Zeit war sehr reell und die Leute haben diese Phase sehr intensiv empfunden. Was unwirklich war, war der Glaube an die wirtschaftliche Potenz, die dahinter stecken würde. Wir sind ziemlich bald auf dem Boden der Realität gelandet.

Wie viele Mitarbeiter hat Dooyoo noch?

Wir waren insgesamt mal 180. Heute sind es noch 80. In Berlin sank die Zahl unserer Mitarbeiter von 70 auf 20.

Was haben Sie empfunden, als Sie zum ersten Mal gemerkt haben: So wie bisher kann es nicht weiter gehen?

Das war im Dezember 2000. Wir haben im Vorstand etwa zwei Monate beraten. Dann mussten wir die Bombe platzen lassen und uns zum ersten Mal von guten Mitarbeitern trennen. Das war einer der schmerzlichsten Prozesse, die ich in den vergangenen zwei Jahren erlebt habe. Es war aber auch eine Erfahrung, die ich machen musste, um als Manager weiter zu kommen.

Was haben Sie falsch gemacht?

Es war ein Fehler, die Leute einzustellen. Wir hätten das wirtschaftlich vorhersehen müssen, dass wir uns so viele Mitarbeiter nicht leisten können. Ich glaube aber, bei uns war das ein fairer Prozess.

Ausgesperrte Mitarbeiter, Kündigungen per E-Mail... Wie erklären Sie sich die Auswüchse, die es in der New Economy gegeben hat?

Die Manager in den Start-ups wussten es einfach nicht besser. Aber ich muss auch die Gründer in Schutz nehmen. In vielen New-Economy-Unternehmen ist das immer noch besser gelaufen als bei vielen mittelständischen Unternehmen, wo ein 65-jähriger S-Klasse-Fahrer mit Hut im Chefsessel sitzt. Der redet mit seinen Mitarbeitern nur, wenn es sich nicht unbedingt vermeiden lässt und regelt das über seinen Anwalt.

Welche Chancen haben die gefeuerten Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt?

In Berlin ist der Arbeitsmarkt derzeit dicht, aber es gibt große Unterschiede zwischen den Berufsgruppen. Einfach vermittelbar sind Leute aus Vertrieb und Technik. Schwer haben es Mitarbeiter aus Marketing und Redaktion. Sie haben in einem Bereich Spezialwissen aufgebaut, in dem zurzeit fast niemand einstellt. Und die Gründer selbst, die natürlich auch auf der Straße stehen.

Was machen die jetzt?

Einige Freunde von mir aus anderen Unternehmen haben in den letzten Monaten die Pleite erlebt. Sie haben gehofft, dass sie zwanzig Jobangebote bekommen und mit Kusshand genommen werden. Das Gegenteil ist aber der Fall.

Liegt das vielleicht auch an den Gründern?

Wir sind in einem Dilemma: Wir hatten wahnsinnig viel Verantwortung und ein großes Budget. Wir hatten die Chance, mit wichtigen, interessanten Leuten zusammenzukommen. Sich jetzt zum Beispiel bei Bertelsmann einzusortieren und die nächsten fünf Jahre in Gütersloh abzuhängen, das ist schwierig. Viele wollen daher erst mal Abstand gewinnen. Ich kenne einen Gründer, der hat sich von seinen Grafikern einen Studentenausweis fälschen lassen und damit ein günstiges Round-The-World-Ticket gekauft.

Waren die Jungunternehmer der Verantwortung nicht gewachsen?

Es gab Gründer, die waren einer Existenzgründung weder persönlich noch fachlich gewachsen. Es gab andere, die schnell genug mitgelernt haben, aber ein schlechtes Geschäftsmodell hatten. Auch wir haben wahnsinnig viele Fehler gemacht. Schlauer wäre es gewesen, nach der zweiten Finanzierungsrunde alles runterzudampfen. Dann hätten wir jetzt mehr Spielmasse.

Wie steht Dooyoo wirtschaftlich da?

Wir sind 2001 bei ungefähr sieben Millionen Euro Umsatz gelandet. Im Dezember sind wir operativ erstmals im Plus.

Wie viel Geld ist noch da?

Einiges. Wir hatten drei Finanzierungsrunden mit insgesamt 32,5 Millionen Euro. Das reicht, bis wir schwarze Zahlen schreiben. Dann können wir uns selbst finanzieren. Danach werden wir entweder übernommen, etwa von einem Verlag. Oder wir versuchen, aus eigener Kraft zu wachsen.

Sie haben selbst mehrere Venture-Capital-Gesellschaften mit im Boot. Ist diese Finanzierungsquelle nun versiegt?

Bei Erstrundenfinanzierungen für Internet-Start-ups ist erst mal Schluss. Es gibt aber nach wie vor viele volle Fonds. Das Geld geht aber jetzt in Biotech oder Nanotechnologie, aber nicht mehr in Internet-Geschäftsmodelle. Die Frage lautet jetzt: Schießen die Risikogesellschaften noch mal Geld nach.

Haben Sie noch vor, an die Börse zu gehen?

Nein. Wir waren in dem Prozess schon einmal ziemlich weit, hatten aber Glück, dass wir drei Monate zu spät waren.

Hat die New Economy Schaden an der deutschen Aktienkultur angerichtet?

Die Deutschen haben erst angefangen, an der Börse zu investieren. Sicher haben viele ihr Geld am Neuen Markt verloren. Den Schaden haben aber nicht die Gründer angerichtet, sondern die Investmentbanker. Die sind zu den Start-ups gegangen, um sie an die Börse zu bringen. Und sie haben die Anleger zum Kauf der Aktien animiert. Nach einigen Monaten stellte sich dann plötzlich heraus, dass die Unternehmen gar nicht reif für die Börse gewesen sind.

Sie haben Carl-Peter Forster, ehemaliger BMW-Manager und jetzt Chef von Opel, als Aufsichtsrat ins Unternehmen geholt. Was haben Sie von ihm gelernt?

Ohne ihn hätten wir tausende Fehler gemacht. Wir brauchen ihn auch heute noch. Er hilft uns im Management, bei der Personalführung oder der Organisation.

Gab es keine Berührungsängste?

Forster kam mit hochgekrempelten Ärmeln rein und hat sich Dooyoo mit wachen Augen angeschaut. Wir haben uns gleich verstanden. Er wusste, die Jungs respektieren mich und wollen von mir lernen. Und in Sachen New Economy hat er von uns gelernt.

Wie wird es 2002 weitergehen?

Jetzt stehen erst mal Aufräumarbeiten an. Von den Start-ups werden noch sehr viele verschwinden. Auch die Konzerne werden sich konzentrieren. Bertelsmann räumt auf, Springer räumt auf, Otto räumt auf.

Könnte es einen zweiten Boom geben?

Ich glaube schon. Der Kapitalmarkt wird sich im dritten oder vierten Quartal erholen. Dann wird es wieder bergauf gehen.

Herr Frohn-Bernau[gibt es bei Dooyoo noch einen N]

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