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Acht Stimmen. Die Kläger brauchen eine Mehrheit im Zweiten Senat. Foto: dpa

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Europäische Zentralbank: Disput der Verfassungsrichter verzögert Klarstellung

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Euro-Rettung durch die Europäische Zentralbank ist erst im April zu erwarten.

Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich erst im Frühjahr sein Urteil verkünden, ob die Euro- Rettung durch die Europäische Zentralbank (EZB) verfassungswidrig ist. Damit wird das Verfahren zu einem der längsten in der Geschichte des Gerichts.

Am 11. und 12. Juni 2013 wurde in Karlsruhe unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle über das neue Programm der EZB verhandelt, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen zur Rettung des Euro aufzukaufen. Seither berät der Zweite Senat. Ein Urteilstermin ist noch immer nicht in Sicht. Unter vorgehaltener Hand heißt es, es könne April werden. Dann hätten die Beratungen zehn Monate gedauert. Ursprünglich hatte man die Entscheidung im Spätherbst erwartet. Grund für die lange Beratungsdauer sind offenbar höchst kontroverse Meinungen innerhalb des achtköpfigen Zweiten Senats. Außerdem scheint die Richterbank ganz tief einzusteigen. „Das Verfahren ist sehr komplex“, heißt es in der Pressestelle des Gerichts.

Genaueres erfährt man nicht. Die Beratungen eines Gerichts sind geheim, auch die des Bundesverfassungsgerichts. Öffentlich war jedoch die mündliche Verhandlung. Aus den Richterfragen und dem Zeitablauf kann man schlussfolgern, worum jetzt in Karlsruhe gerungen wird.

Rückblick: Der CSU-Politiker Peter Gauweiler, mehrere eurokritische Professoren, die Linkspartei, eine Bürgerinitiative und zahlreiche Einzelpersonen hatten unabhängig voneinander Verfassungsbeschwerden eingereicht. Ihrer Ansicht nach birgt die Euro-Rettung unabsehbare Schuldenrisiken auch für den deutschen Haushalt. Der Bundestag könne über den nationalen Etat faktisch nicht mehr bestimmen, das Wahlrecht sei entleert – damit verstoße die Euro-Rettung gegen das Demokratieprinzip des Grundgesetzes.

In einem Eilverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht 2012 den Europäischen Rettungsschirm und den Fiskalpakt jedoch im Wesentlichen gebilligt. Aber die Finanzmärkte spekulierten weiter auf ein Ende des Euro. Dann kündigte aber EZB-Chef Mario Draghi an, man werde uneingeschränkt Staatsanleihen zur Euro-Stabilisierung ankaufen. Ein Programm wurde beschlossen, zu Ankäufen kam es jedoch nicht. Allein die Ankündigung beruhigte die Finanzmärkte, der Euro-Kurs stieg und blieb bis heute stabil.

Elektrisiert waren dagegen die Kläger. Die EZB habe die Finanzierung maroder Staatshaushalte versprochen, das sei ihr durch den Lissabon-Vertrag verboten, Deutschland dürfe nicht mitmachen. Gauweiler und seine Mitstreiter erweiterten ihre Beschwerden in Karlsruhe. Im Hauptsacheverfahren ging es deshalb im Juni 2013 vor allem um die Anleihekäufe. Im zweiten Schritt geht es um noch mehr: Die bislang unabhängige EZB soll künftig vom Parlament kontrolliert werden. Gauweilers Prozessvertreter Murswiek sagte im Juni wörtlich: „Absolut inakzeptabel ist es, wenn die EZB den deutschen Bundeshaushalt indirekt mit hohen Milliardenrisiken belastet, ohne dass der Bundestag dazu befragt wird.“

Es wäre spektakulär, wenn das Bundesverfassungsgericht das verlangen würde – und es wäre eine Korrektur seines eigenen Maastricht-Urteils von 1993. Denn schon damals hatte man erkannt, dass die Unabhängigkeit der EZB eine Kehrseite hat; dass nämlich „die Einflussmöglichkeiten des Bundestages und der Wähler … nahezu vollständig zurückgenommen“ sind, heißt es im Urteil. Trotzdem billigte Karlsruhe „diese Modifikation des Demokratieprinzips“. Denn es traute einer unabhängigen Zentralbank als Garant einer stabilen Währung eher als Regierungen und Volksvertretern, die an einer Wiederwahl interessiert sind.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bestritt in der Verhandlung vom Sommer die Machtlosigkeit der deutschen Volksvertreter. Ob die Mehrheit der acht Richterinnen und Richter Gauweiler oder Schäuble folgt – oder aber einen Mittelweg findet – darum wird es beim Urteil gehen. Klar ist: Für das Verdikt „verfassungswidrig“ brauchen die Kläger die Mehrheit von fünf Richterstimmen. Ein 4 : 4 reicht nicht. Ursula Knapp

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