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Ein Sturm im Wasserglas. Anleger werden die Finanztransaktionssteuer nicht spüren, sagt Chris-Oliver Schickentanz.

© Kai-Uwe Heinrich

Eurokrise: "Frankreich ist ein Risiko"

Chris-Oliver Schickentanz, Chef-Anlagestratege der Commerzbank, spricht im Interview über die Krise und den Aktienmarkt.

Von Carla Neuhaus

Der Dax nimmt Kurs auf die 8000 Punkte. Geht es an der Börse so gut weiter wie 2012?

Der Dax wird nach unseren Prognosen zwar weiter steigen, aber ein solch starkes Plus wie im vergangenen Jahr von mehr als 30 Prozent werden wir nicht sehen. Wir rechnen damit, dass der Dax bis zur Jahresmitte auf 8200 Punkte steigt. Zwischenzeitlich kann er auch schon mal auf 8500 Punkte klettern – je nachdem, wie viele Anleger auf den fahrenden Zug aufspringen.

Der Dax ist bereits zwei Mal auf über 8000 Punkte gestiegen – und danach beide Male eingestürzt. Könnte das diesmal wieder passieren?

Das glaube ich nicht. Auch wenn die Kurse im vergangenen Jahr sehr stark zugelegt haben, zeichnet sich noch keine Blase ab. Die derzeitigen Kurssteigerungen stimmen im Großen und Ganzen mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen überein.

Sollten Anleger jetzt also Aktien kaufen?

Ja, aber nicht nur. Zum Beispiel macht es Sinn, daneben auch in Rohstoffe zu investieren. Ich gehe davon aus, dass der Goldpreis weiter steigen wird. Er kann im Jahresverlauf durchaus die Marke von 2000 Dollar je Feinunze nehmen. Und auch die Preise für Industriemetalle wie Silber und Kupfer dürften deutlich steigen.

Warum?

In den Schwellenländern zieht das Wachstum an. Das steigert die Nachfrage nach Industriemetallen. Gleichzeitig haben aber viele Rohstoffunternehmen ihre Investitionspläne deutlich gekürzt. Das heißt: Es wird weniger Material auf den Markt kommen, als nachgefragt wird. Das treibt die Preise nach oben.

Die Zinsen sind noch immer sehr niedrig. Bleibt das auf absehbare Zeit so?

Die Europäische Zentralbank wird die Leitzinsen wahrscheinlich auch die nächsten drei bis fünf Jahre niedrig halten. Die Kapitalmarktzinsen werden sich allerdings etwas nach oben bewegen. So wird die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sukzessive steigen. Das ist aber noch keine Zinswende. Historisch betrachtet bleiben wir auf einem niedrigen Niveau.

Warum werden die Zinsen für Bundesanleihen dann steigen?

Die Investoren preisen die Krise aus. Viele haben in der Bundesanleihe bislang eine Art sicheren Hafen gesehen. Sie werden ihr Geld aber zunehmend wieder in andere Anlageformen stecken. Außerdem werden sie die steigende Inflationserwartung einpreisen.

Heißt das, wir haben in der Eurokrise das Schlimmste hinter uns?

Es scheint, als ob wir den Eskalationspunkt überwunden hätten. Entspannt zurücklehnen können wir uns aber nicht. Die strukturellen Probleme in der Eurokrise sind immer noch gravierend.

Von wo könnte noch Unruhe kommen?

Wenn es noch einmal Unruhe gibt, dann kommt die aus einem Land, das wir bislang nicht auf der Agenda haben, nämlich aus Frankreich. Die Haushaltsstatistik des Landes hat sich in den letzten Monaten sukzessive verschlechtert. Die Franzosen sind, was die Einhaltung ihrer Sparziele angeht, noch unter dem Niveau Griechenlands. Und die Staatsquote ist hoch: Über 50 Prozent der französischen Wirtschaftsleistung hängt vom Staat oder seinen Ausgaben ab.

Ab wann verliert der Kapitalmarkt den Glauben an Frankreich?

Es ist schwer zu prognostizieren, wann der Markt so ein Problem erkennt. Er hat ja auch die Probleme in Griechenland, Spanien und Italien lange Zeit ignoriert. Dann ist das Ganze plötzlich von einer relativen Sorglosigkeit in eine fast übertriebene Sorge umgeschlagen. Im Fall von Frankreich kann das noch eine Weile gutgehen. Aber wenn der Markt da einmal einen Fokus drauflegt, hätte das viel schlimmere Auswirkungen als bei Spanien oder Italien. Denn Frankreich ist neben Deutschland eine ganz wesentliche Säule der Rettungsschirme.

Als eine Lehre aus der Krise haben sich elf europäische Länder auf eine Finanztransaktionssteuer geeinigt. Bringt das was?

Wir haben einen globalen Finanzmarkt. Wenn Sie dann nur lokal eine Steuer einführen, findet das Geld seinen Weg an andere Börsenplätze. Andererseits ist eine Einzellösung besser als gar keine. Ich hoffe, dass weitere Länder nachziehen.

Wen trifft die Steuer?

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass gerade die Profi-Investoren Wege und Lösungen finden werden, diese Finanzmarkttransaktionssteuer zu umgehen. Das heißt, de facto wird das erst einmal den Kleinanleger treffen.

In welchem Maße?

Das sind Nachkommastellen, von denen wir reden. Ich gehe nicht davon aus, dass Kleinanleger in zwei Jahren merken, dass die Finanzmarkttransaktionssteuer signifikant etwas an ihren Erträgen geändert hätte. Das ist ein Sturm im Wasserglas.

Das Interview führte Carla Neuhaus

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