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Wirtschaft: Jeder soll sich schützen müssen

Ökonomen fordern eine Pflichtversicherung für alle Bürger gegen Naturkatastrophen, damit die Vorsorge besser wird. Doch die Versicherungen sind skeptisch

Nach der Hochwasserkatastrophe sollte eine Versicherungspflicht für alle Bürger gegen Elementarschäden eingeführt werden. Das schlägt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) vor. Die Versicherung sollte nicht nur Schäden durch Hochwasser umfassen, sondern auch solche durch Umweltereignisse wie Sturm, starken Regen oder Erdbeben. „Davon kann jeder in Deutschland betroffen sein“, sagt Gert G. Wagner, Professor für Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin und Mitverfasser der DIW-Studie. Die Versicherungswirtschaft hielt sich mit der Bewertungen der Vorschläge allerdings zunächst zurück.

Eine Versicherung stelle zum einen sicher, dass potenziell Betroffene wissen, wie viel Hilfe sie bekommen, wenn sie ein Unwetter trifft, sagt Wagner. Denn die Hilfe durch den Staat und durch Spenden der übrigen Bevölkerung sei kaum kalkulierbar. Zum anderen sei die Versicherung ein Anreiz, die Folgen von Naturkatastrophen durch Prävention abzumildern. Eine Versicherung koste Geld und mache über die Höhe der Prämie deutlich, wie groß etwa das Risiko ist, in der Nähe eines Flusses zu wohnen.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Naturereignisse in Deutschland immer größere Schäden angerichtet. Das liegt aber nicht nur daran, dass es häufiger Hochwasser oder Stürme gibt, sondern auch daran, dass immer mehr Menschen in gefährdeten Gebieten Häuser bauen – und die Gefahren nicht einkalkulieren. Wagner wendet sich dagegen, die Beseitigung solcher Schäden der gesamten Volkswirtschaft aufzubürden. „Besser wäre, wenn der Staat eine Eigenvorsorge verlangte – über eine Versicherung. Die muss verpflichtend sein, weil sonst viele Bürger weiter auf Staatshilfe vertrauen und sich die Prämie sparen.“ Und der Staat könne nicht im Katastrophenfall denjenigen, die nicht vorgesorgt haben, die Hilfe verweigern, meint Wagner.

Katastrophen werden immer teurer

Rechtlich ist nach Einschätzung des DIW-Experten eine Versicherungspflicht kein Problem. Schließlich müsse auch jeder Autobesitzer eine Haftpflichtversicherung abschließen. Zudem gebe es in Spanien und Frankreich bereits eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Um sicherzustellen, dass die Versicherung auch weiterentwickelt werde und innovative Produkte auf den Markt kommen, favorisiert Wagner eine privatwirtschaftliche Lösung, keine Staatsversicherung wie in Spanien. Außerdem erwartet er, dass durch den Wettbewerb zwischen den einzelnen Gesellschaften auch die Prämien tendenziell sinken würden.

Weiterer Pluspunkt: Durch eine Pflichtversicherung würde der Druck auf die Politik wachsen, die Regionen zum Beispiel besser auf Hochwasser vorzubereiten oder nach Möglichkeiten zu suchen, Hochwasser zu verhindern, sagt Wagner. Die Versicherten wollen möglichst niedrige Prämien zahlen – und werden daher auf stärkere Sicherungsmaßnahmen wie zum Beispiel bessere Dämme drängen. Ähnliches werden die Versicherungskonzerne fordern, um so ihre Leistungen möglichst gering halten zu können. „In Großbritannien investieren die Versicherer zum Beispiel in groß angelegte Forschungsprojekte“, sagt Wagner.

Die deutschen Versicherer reagieren dennoch zurückhaltend. Ein Gerling-Sprecher hält „eine Pflichtlösung nicht für das optimale Mittel“. Branchenprimus Allianz will sich nicht äußern und verweist auf die gesamte Versicherungsbranche. Doch beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) heißt es: „Noch gibt es keine klare Voraussage.“ Zunächst müssten die Daten aus den Hochwassergebieten ausgewertet werden. Entscheidend könnte die Haltung der Rückversicherer sein, bei denen die Erstversicherer ihr Risiko absichern. Die Münchener Rück signalisierte bereits Gesprächsbereitschaft. Vorstand Stefan Heyd: „Man kann eine solche Pflichtversicherung durchaus diskutieren.“ Bernd Hops

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