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© Foto M ]: Kitty Kleist-Heinrich

Mitarbeitergespräche: Keine Lügengeschichten beim Jahresgespräch

Jahresgespräche sind bei Mitarbeitern oft unbeliebt. Trotzdem sollte man seinem Chef nur gut vorbereitet entgegentreten – und bei der Wahrheit bleiben.

In den meisten großen und mittelgroßen Unternehmen sind regelmäßige Vier-Augen-Bestandsaufnahmen zwischen Chef und Mitarbeiter üblich. Mal heißen sie Jahres- oder Zielgespräche, mal Feedback- oder Kritikrunde, oft sind sie einmal im Jahr, dann wieder vierteljährlich. Gemein ist allen, dass es um Leistungen, Erwartungen, Zufriedenheit, Zukunftspläne und auch um Gehalt und Prämien geht – und dass sie nur selten als Bereicherung empfunden werden, weder von Mitarbeitern noch von Chefs.

Gerade in der Krise ist das verständlich, weil Heldentaten, mit denen sich glänzen lässt, eher selten sind. Und die Chefs werden, so empfinden es viele, von ihrer Arbeit abgehalten. Nicht zuletzt ist es genauso schwer, Feedback zu geben wie Kritik anzunehmen. „Deshalb werden die Gespräche oft als Pflichttermin durchgezogen, lustlos auf beiden Seiten, oft ohne großartige Vorbereitung“, sagt Hailka Proske, Führungskräfte- und Kommunikationstrainerin und Autorin. Aus dieser Gedankenlosigkeit heraus entstünden oft unrealistische Zielvorgaben.

Diese kurzfristige Sicht sei falsch, sagt Proske, schließlich geht es in den Gesprächen um Fundamentales, also darum, ob man den Rest des Jahres mit akzeptablen Vor- und Aufgaben verbringen wird und wie sich die eigenen Pläne und Vorstellungen zum Job und zur Karriere unterbringen lassen. „Prämien, Weiterbildung oder Gehaltserhöhungen werden einem nicht auf dem Silbertablett serviert, da muss man sich schon drum kümmern und dafür trommeln und werben“, sagt auch Sabine Hansen, Partnerin bei der Personalberatung Heidrick & Struggles. „In Jahresgesprächen geht es nicht nur um Ihre Ergebnisse, sondern auch darum, sie gut zu verkaufen.“

Wenn es im Gespräch um die Leistungen im vergangenen Jahr gehen soll, sollte man sich deshalb zunächst seine Zielvereinbarungen aus dem letzten Termin vornehmen und Bilanz ziehen: Wie habe ich mich geschlagen? Welche Punkte habe ich erfüllt? Welche nicht? Warum finde ich, dass ich ein gutes Jahr hatte? Eine Liste der alten Projekte, Schulungen, Verantwortlichkeiten und Leistungen versehen mit entsprechender Manöverkritik hilft, das Jahr Revue passieren zu lassen. Zahlenverliebte Chefs überzeugt man am besten mit entsprechend aufbereiteter Erfolgsliste.

Wer im Laufe des Jahres irgendwo Mist gebaut hat, sollte nach den Ursachen forschen. Im Cheftermin sollte man dann zeigen, woran es gelegen hat, wie es abzustellen wäre, was man daraus gelernt und – sofern möglich – wie das bereits Eingang in die Arbeit gefunden und zu ersten Erfolgen geführt hat. So wird gleich wieder eine positive Meldung draus. „Man darf dem Chef gegenüber durchaus auch ehrlich sein und zugeben, dass man Ziel X ein bisschen hinten angestellt hat. Dann sollte man aber auch Gründe nennen, etwa, dass einem Ziel Y mehr gelegen hat, oder dass man wegen Zeitmangels nicht alle Ziele anpacken konnte“, sagt Beraterin Hailka Proske. „Vielleicht muss er dann erst mal schlucken, aber wenn der Chef schlau ist, wird er folgern: ,Okay, dann in Zukunft länger über die Realisierbarkeit der Ziele diskutieren.’“

Viele Mitarbeiter werden in den anstehenden Jahresgesprächen krisenbedingt schlechte Zahlen zu besprechen haben, viele haben das Gros ihrer Ziele gerissen. „Und bestimmt wird der eine oder andere Chef gerne die Gelegenheit nutzen, unliebsame Mitarbeiter abzustrafen“, sagt Karrierecoach Martin Wehrle. „Da kann man dann nur mit guten Gegenbeispielen kontern.“ Etwa alle zusätzlichen Aktivitäten aufführen, die man unternommen hat, um das Ziel doch noch zu erreichen. Und mit dem großen Ganzen argumentieren: Wie haben sich etwa die Kollegen geschlagen? Wie sieht es insgesamt auf dem Markt aus? „Wenn ich meine Ziele zwar nicht erreicht habe, aber immer noch besser als der Markt beziehungsweise die Kollegen im Unternehmen war, dann ist das schon was“, sagt Heidrick-Beraterin Hansen.

Ein feines Näschen benötigen Mitarbeiter in diesem Jahr bei den Verhandlungen um ihre Boni. Wer selbst gut gearbeitet hat, aber in einer angeschlagenen Firma steckt, muss abwägen, wie stark er auf einem Bonus beharren kann und will. Ein Zugeständnis an die Firma kann ihm gewisse Loyalitätspunkte für die Zukunft verschaffen, so Proske. Alternativ lassen sich auch Weiterbildung oder andere Freiräume ins Spiel bringen.

Wenn es in dem Termin um das bevorstehende Jahr geht, sollte ein Mitarbeiter vor dem Gespräch fragen, wie die Ziele der Firma, die des Chefs und der Abteilung für den entsprechenden Zeitraum aussehen. Welche Wachstums- oder Sparziele sind angepeilt? Wo liegen die Prioritäten des Chefs? „Ihre Strategie muss dann sein, konstruktive Vorschläge für Ihren eigenen Beitrag ins Gespräch mitzunehmen. Wo können Sie Ihre Stärken einbringen, um Ihrem Chef zu helfen? Verpacken Sie Ihre eigenen Pläne – seien es Weiterbildungen, Umorientierungen, Projektvorlieben oder Beförderungen – in unternehmerische Überlegungen“, so Sabine Hansen.

Bei den quantitativen Vorgaben wie etwa zehn Prozent mehr Umsatz oder 20 Prozent Kosten sparen, hat, so Hailka Proske, der Chef in der Regel wenig Spielraum. Die Ansage kommt von oben und wird auf Team- und Mitarbeiterebene durchgereicht. Aber über das Wie lässt sich diskutieren. Welche Projekte liegen einem mehr, welche weniger? Für das eigene Ziel-Vorschlagswesen wichtig: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind kostensparende und effizienzsteigernde Ziele naturgemäß angesagter als Expansionen oder neue Produkte.

Bei qualitativen Zielen, wie dem Erlernen neuer Verfahren oder dem Überarbeiten von Prozessen, haben Chefs einen größeren Spielraum, um auf Vorschläge einzugehen. Voraussetzung: Sie müssen ihn und die Firma entsprechend der aktuellen Strategie weiterbringen.

Qualitative Ziele sind gerade in der Krise praktisch, da sie marktunabhängig funktionieren. Mit ein bisschen Einsatz kann man auf sich aufmerksam machen, auch wenn es mit Umsatz und Gewinn nicht klappt. Mehr als fünf bis sieben Baustellen sollte man sich aber nicht aufhalsen (lassen), sonst verliert man den Überblick. Den vereinbarten Zielen sollte gemein sein, dass sie möglichst präzise abgeklärt, mess- und überprüfbar sind. Ziele sind in der Regel ambitioniert bemessen, der Mitarbeiter soll sich schon strecken. Karrierecoach Martin Wehrle rät zu Stufenzielen. „Bei 100 Prozent Trefferquote gibt es den vollen Bonus, bei 75 Prozent entsprechend weniger.“

Wartet der Chef im Jahresgespräch mit unrealistischen Zielen auf, so sollte man sich eines beispielhaft herausgreifen und die Umsetzung mit ihm durchspielen. Er muss dann entscheiden, ob er etwa daraus resultierende Wartezeiten, fehlende Kapazitäten fürs Tagesgeschäft oder höhere Kosten akzeptiert. Er soll seine Prioritäten aufzeigen. Grundsätzlich haben Vorgesetzte ein Interesse daran, dass vereinbarte Ziele erreicht werden. Sie laufen sonst Gefahr, in ihrem eigenen Jahresgespräch in Erklärungsnot zu geraten – und das sollte man vermeiden.

Beitrag aus der Januarausgabe des Magazins „Junge Karriere“

Ulrike Heitze

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