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Wirtschaft: Noch läuft der Arbeitsmarkt

Bundesagentur rechnet auch für 2009 mit einer guten Entwicklung. Doch Experten sind da skeptisch

Berlin - Trotz der schwächer werdenden Konjunktur und der Turbulenzen an den Finanzmärkten ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit knapp 16 Jahren gesunken. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) lag die Zahl der Arbeitslosen im September bei 3 080 899. Dies waren 115 000 weniger als im August und 462 877 weniger als vor einem Jahr. Eine geringere Arbeitslosigkeit hatte die Bundesagentur zuletzt während des Wiedervereinigungsbooms im November 1992 registriert. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 7,4 Prozent. „Von der Abschwächung der konjunkturellen Dynamik und den Turbulenzen an den Finanzmärkten zeigt sich der Arbeitsmarkt bisher unbeeindruckt“, erklärte BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise am Dienstag in Nürnberg. Die BA rechnet damit, dass die Herbstbelebung anhält: Für den Oktober sagte Vorstandsmitglied Heinrich Alt voraus: „Wenn die Rahmenbedingungen so bleiben wie in diesem Monat, ist die Wahrscheinlichkeit da, dass wir unter drei Millionen kommen.“

Die positive Grundtendenz zeigte sich im September auch in den saisonbereinigten Zahlen. Unter Herausrechnung der jahreszeitlichen Schwankungen fiel die Erwerbslosenzahl im Monatsvergleich um 29 000 auf 3,177 Millionen bei einer Quote von 7,6 Prozent. Volkswirte hatten ein Minus um 15 000 erwartet. „Die Daten sind eine positive Überraschung im gesamten negativen Umfeld“, sagte Antje Hansen von der Bank HSBC Trinkaus. Auch in Berlin und Brandenburg ist die Arbeitslosigkeit weiter zurückgegangen, dennoch weist Berlin mit 13,3 Prozent die höchste Quote aus (Brandenburg 12,1 Prozent). Die geringste Quote hat Bayern mit 3,9 Prozent.

Als Hinweis für die unverändert gute Lage auf dem Arbeitsmarkt bewertet die BA auch die steigende Beschäftigung. So sei die Zahl der Erwerbstätigen im August um 94 000 auf 40,4 Millionen gestiegen, teilte die Bundesagentur mit.

Mit gravierenden Auswirkungen der Finanzkrise auf den Arbeitsmarkt rechnet Weise auch für das kommende Jahr nicht. Zwar werde der Finanzsektor selbst betroffen sein. „Auf den gesamten Arbeitsmarkt wird es aber keine Auswirkungen haben – es sei denn, es entstehen dadurch Finanzierungsprobleme für mittelständische Unternehmen“, sagte Weise. „Das würde zu Rückschlägen führen, weil vom Mittelstand traditionell viele Arbeitsplätze geschaffen werden.“ Für 2009 erwartet er eine Fortsetzung des aktuellen Arbeitsmarktaufschwungs: „Ich gehe davon aus, dass die Arbeitslosigkeit auf dem Niveau von 2008 bleiben, vielleicht sogar sinken wird.“

Andere sind da skeptischer: Eckart Tuchtfeld von der Commerzbank glaubt nicht, dass sich der Arbeitsmarkt auf Dauer vom Konjunkturabschwung abkoppeln könne. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit werde im Winter zum Stillstand kommen. Die Volkswirte von Allianz und Dresdner Bank erwarten, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt nach der positiven Entwicklung der vergangenen Monate voraussichtlich eintrüben wird. 2009 rechnen sie mit einem leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit, wobei die Quote für das Gesamtjahr etwa genauso hoch sein werde wie die für 2008. Ulrich Kater, Chefökonom der Deka-Bank, sagte dieser Zeitung, dass sich die schwächer werdende Konjunktur zwar auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen werde, mit Rekordarbeitslosenzahlen wie im vergangenen Abschwung sei aber nicht zu rechnen. „Der Arbeitsmarkt ist nicht mehr so abhängig von der Konjunktur wie noch vor fünf Jahren.“ Kater erwartet, dass die Arbeitslosenquote im kommenden Jahr um einen Prozentpunkt steigt.

Die CDU erneuerte als Reaktion auf die Zahlen ihre Forderung an die SPD, der Senkung der Beiträge an die BA von 3,3 auf 2,8 Prozent zuzustimmen. Das würde zur Stabilität des Arbeitsmarktes beitragen, meinte Generalsekretär Ronald Pofalla. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) ging darauf nicht ein. Die Zahlen zeigten, „dass die arbeitsmarktpolitischen Reformen nachhaltig wirken“. FDP-Vize Rainer Brüderle warnte dagegen: „Die Finanzkrise macht die aktuellen Arbeitsmarktzahlen zur Makulatur.“ Auf schlechte Zeiten sei Deutschland überhaupt nicht vorbereitet.

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